Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
sich für den Vorfall verantwortlich.
„Ich werde Ihnen den Schaden ersetzen“, bot er an.
Die Wirtin winkte bekümmert ab. „Ach, die paar Groschen machen den Kohl auch nicht fett. Mir tut es nur um die Arbeit leid, die ich mir gemacht habe“, sagte sie und ließ sich seufzend auf eine wackelig anmutende Bank fallen. Franz setzte sich achselzuckend dazu. Gemeinsam warteten sie ab, dass sich der Qualm verteilen möge.
„Mein Gott, wie schnell kann man Heim und Herd verlieren, wenn man mit seinen Gedanken nicht bei der Sache ist.“ Der Eindruck, einem Unglück um ein Haar entgangen zu sein, schwang in ihrer Rede mit. Sie erschauerte bei einem Blick auf die benachbarten Gebäude.
Franz konnte die Gefahren, die von einem Küchenbrand ausgingen, gut nachvollziehen. Er befand jedoch die Situation, wie sie so einträglich im Hof beieinandersaßen, für sehr günstig, die Wirtin auszuhorchen.
„Wollen Sie auch studieren? Lösen Sie Ihren Bruder gewissermaßen ab?“, fragte sie mit unverhohlener Neugier.
Franz wusste nicht recht, was er antworten solle. Ich bin doch derjenige, der sie hat ausfragen wollen, dachte er verdrossen.
„Johann hat sich dieses Jahr nicht von mir verabschiedet“, meinte sie vorwurfsvoll. „Aber vielleicht war ich auch grad nicht zu Haus, als er weg ist.“
Das war das Stichwort!
„Wann ist er abgereist?“, fragte er möglichst beiläufig.
„Jetzt, wo Sie danach fragen, weiß ich es auch nicht so genau. Es muss bald einen Monat her sein.“ Die Alte kratzte sich unter der Haube und Franz musste den Impuls unterdrücken, sofort von ihr abzurücken oder gar aufzuspringen.
„Johann ist ein stiller junger Mann. Ich habe immer nur am Knarren der Treppenstufen von seiner Anwesenheit Notiz genommen. Ich hoffe, Sie schlagen nach seiner Art. Aber wenn Sie Johanns Bruder sind, ist das ja anzunehmen.“
„Ich bin der festen Überzeugung gewesen, ich treffe ihn hier an, wollte ihn überraschen. Hat er eine Nachricht hinterlassen, wann er wiederkommen will?“
„Das hat er nie getan, warum sollte er diesen Sommer damit anfangen“, meinte sie. „Die Miete ist bis Oktober bezahlt und viel mehr hat mich ja auch nicht anzugehen.“
Ihr Seitenblick auf Franz strafte sie augenblicklich Lügen. Doch er ging nicht auf ihren beredten Blick ein.
„Wie lange mag es dauern, bis aus ein paar eingesperrten Fliegen eine Schaufel voll Nachkommenschaft entsteht? Eier werden abgelegt, Maden fressen sich fett, nach einer Weile schlüpfen neue Fliegen. Die legen auch Eier ab, fliegen dann so lange im Zimmer umher, bis sie alle vor Entkräftung von der Decke fallen!“
Mudder Schultzen starrte Franz entgeistert an. An ihrem Gesicht las er ab, offensichtlich laut gedacht zu haben. Entschuldigend riss er die Hände hoch. „Sie haben solche Experimente gewiss nicht durchgeführt. Es war nur so ein Gedanke von mir.“ Er probierte sein Lächeln an der alten Frau aus, fragte dann: „Empfängt mein Bruder hin und wieder Freunde oder Kommilitonen? Haben die Sie manchmal mit ihrem Lärm belästigt?“
„Ab und zu kam schon mal der eine oder andere junge Mann. Damenbesuch ist natürlich nicht erlaubt, damit das klar ist!“, sagte sie mit erhobener Stimme. „Laut ist es aber nur in den anderen Zimmern geworden“, fuhr sie sinnend fort. „In den letzten Monaten vor seiner Abreise kam dann immer ein und derselbe. Eine nicht gerade Vertrauen erweckende Gestalt, wissen Sie.“ Sie machte eine abwertende Handbewegung. „Ganz abgerissen und kränklich. Ich hatte immer den Eindruck, der müsste im nächsten Moment dahinscheiden.“
„Können Sie mir sagen, wie der heißt, wo er wohnt?“
„Nein, kann ich nicht“, entgegnete sie. Seine Beharrlichkeit machte sie jedoch aufmerksam. „Warum interessieren Sie sich für den?“, wollte sie wissen.
Franz war auf der Hut. Er wollte Johanns Wirtin nicht gleich am ersten Tag zum Mitwisser einer Angelegenheit machen, von der er selbst nur sehr vage Vorstellungen hatte. „Och, ich suche Anschluss für die nächsten Tage“, wich er aus. „Ich habe vor, mir Rostock anzuschauen und da ist ein kompetenter Begleiter Gold wert.“
„Dann wollen Sie also nicht länger bleiben“, stellte sie fest, ihre Enttäuschung veränderte ihren Tonfall. „Na ja. Die jungen Leute wollen gern unter sich sein. Nur schade, dass zurzeit alle meine Untermieter ausgeflogen sind. Aber hier in der Straße vermieten noch andere Leute Zimmer an Studiosi. Versuchen Sie es doch dort.
Weitere Kostenlose Bücher