Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
Vom Netzwerk:
tatsächlich – unter hässlichem Knirschen – im vernachlässigten Schloss drehen ließ. Das Schloss war jedoch die geringere Hürde, wie sich herausstellen sollte, die Tür ließ sich noch lange nicht öffnen. Franz stemmte sich unter Einsatz von Knie- und Armhebeln gegen das Hindernis. Schließlich gab es nach.
    Stickige Luft, durchsetzt mit süßlichem Gestank, wallte ihm entgegen. Er hastete, ohne sich von klaren Gedanken leiten zu lassen, durch das Zimmer, hin zur gegenüberliegenden Fensterfront, öffnete mechanisch zwei Fenster und lehnte sich gierig atmend hinaus. Zwar war die Luft draußen auch nicht erfrischender, aber sie konnte zumindest die aufsteigende Übelkeit vertreiben.
    Was habe ich erwartet, fragte er sich deprimiert.
    Während seines Weges zu Johanns Bleibe hatte tief in seinem Innern ein winziges Fünkchen Hoffnung gewohnt, seinen Bruder hier zu treffen. Nun war es erloschen und der Verlust schmerzte.
    Franz drehte sich um, wischte sich über das Gesicht und fuhr mit beiden Händen durch sein verschwitztes Haar. Er versuchte, sich auf seine Umgebung zu konzentrieren und dabei seine Eindrücke zu ordnen. Erst jetzt bemerkte er eine weitere Tür. Ihr Rahmen war aufgequollen oder verzogen, jedenfalls klemmte das Blatt, als Franz zu zaghaft die Klinke niederdrückte. Es folgte ein kräftiger Ruck, so als ob er einem Gegner einen Stoß versetzen müsste und auch diese Tür flog auf. Rasch sah er sich in dem kleinen Raum um. Das Zimmer diente Johann offensichtlich als Schlafkammer. Ein ordentlich gemachtes Bett und ein zweitüriger Kleiderschrank waren die einzigen Möbelstücke in dem einfachen Gemach. Auch hier war die Luft abgestanden, aber es roch angenehmer: nach Holz und dem Wachs der Dielen. Franz öffnete die Flügel des einzigen Fensters, ging zurück ins Nachbarzimmer und verschloss die Nebentür sorgfältig.
    Es knackte unter seinen Füßen. Bei genauerem Hinsehen erkannte er zerdrückte Insekten auf dem Boden. Überall entdeckte er dicke schwarze Fliegen, die auf dem Boden oder den Möbeln herumlagen. Franz schüttelte sich vor Eckel.
    Nein. Johann war schon lange nicht mehr hier gewesen. Franz erinnerte sich an einige Auseinandersetzungen mit dem Bruder, als sie sich noch gemeinsam ein Spielzimmer hatten teilen müssen. Johann hatte ihn stets damit genervt, er solle die benutzten Spielsachen wegräumen, bevor er sich einer neuen Beschäftigung zuwende. Johann war Unordnung zuwider.
    Die Ursache für die Fliegenplage wähnte Franz in einer kleinen Kommode unter dem linken der beiden Fenster. Vorsichtig näherte er sich dem Möbel. Sein Taschentuch vorsorglich vor die Nase pressend öffnete er eine der oberen Schubladen. Außer verschimmelter Brotreste und verschrumpelter Äpfel förderte er aber nichts zutage. Altes Brot und mumifizierte Äpfel? So etwas konnte doch unmöglich den bestialischen Gestank verbreiten, der nach wie vor im Zimmer stand. Auch die benachbarte Schublade offenbarte wenig Suspektes. Dort fand er lediglich einen eingetrockneten Käse und eine in Ölpapier gewickelte Speckseite. Der Speck roch einwandfrei.
    Aber die Kommode hatte noch zwei weitere Schubfächer. Ruckartig zerrte er die untere auf und prallte zurück. Widerwärtiger Gestank stieg auf. War der Geruch schon abstoßend genug, so beunruhigte ihn noch eine andere Beobachtung. Der Inhalt der Lade schien zu leben! Auf ihrem Boden wimmelte es nur so von weißen fetten Larven, die ihre Körper auf der Suche nach Fressbarem auf und nieder reckten. Sie taten sich an einem kleinen Tier gütlich, soviel hatte Franz noch gesehen, bevor ihn der Gestank vertrieben hatte.
    Auf dem Treppenflur schalt er sich, wie unsinnig sein Verhalten sei. Zögernd kehrte er um, sich Gedanken machend, wie er das Problem schnellstens beheben könne. War es nicht am einfachsten, die Schublade aus dem Zimmer zu entfernen und ihren Inhalt im Hof zu vergraben? Allerdings ließe sich dann ein erneuter Zusammenstoß mit Johanns Hauswirtin nicht vermeiden. Also kehrte er dem Zimmer den Rücken und klopfte beherzt an jene Tür, hinter der er die Wirtin vermutete.
    „Was ist denn noch? Ich vermiete nur Zimmer, ich beköstige niemanden!“, erhielt er unwirsch zur Antwort. Franz fand es beruhigend, mit Doktor Ahrens bereits einen netten Rostocker kennengelernt zu haben. Allem Anschein nach gehörte die Wirtin zu den mürrischen Bewohnern der Stadt.
    „Ich benötige einen Spaten, Besen und Aufnehmer. Ich habe etwas zu bereinigen“, erwiderte

Weitere Kostenlose Bücher