Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)
Kaufmann, der in gemäßigtem Wechselverhältnis mit der Gesellschaft steht. Ihn werden nicht Rost noch Motten oder die Zinsen der Geldverleiher fressen, Gelassenheit wird seinen Schritt umsäuseln und die Schärfe eines Mahnbriefes wird nie die Ruhe seines Schlafes stören.“
Die poetischen Ausführungen seines Lehrherrn ließ den frisch gebackenen Lehrling ehrfürchtig erschauern vor der Weitsicht des Prinzipals.
„Mit den Wechseln, die Ihnen der Buchhalter gibt, treten Sie in die Häuser, wo sie fällig sind; das heißt, wo die Wechsel fällig sind, der Herrgott bewahre uns vor fallenden Häusern, ha, ha. Und merken Sie sich ..., das Wechseleinkassieren ist ein wichtiges und sehr ernsthaftes Geschäft, wie alles wichtig und ernsthaft ist, was mit Geld zu tun hat. Mit Geld ist nicht zu spaßen. Mit Geld muss der Kaufmann vorsichtig sein. Geld ist das A und O des Daseins, Geld ist alles, vergesst das nie!“
Andree war gerade mal imstande den Kopf zu schütteln, als die Unterweisungen auch schon fortgesetzt wurden.
„Nehmen wir einmal an, Sie hätten einen Wechsel auf das Haus Wert & Co., gehen in das Kontor des ehrenwerten Herrn Wert und sagen dort laut und deutlich: „Herr Wert! Ich habe hier einen Wechsel des Herrn Borgwart und bitte um Auszahlung.“
Borgwart machte eine bedeutsame Pause und fixierte seinen Lehrburschen, dem es unter dem prüfenden Blick kalt den Rücken herunterrieselte.
„Herr Wert wird auch gleich den Wisch von oben bis unten besehen und wird auch Sie zwischendurch vom Wirbel bis zu den hoffentlich blank geputzten Schuhspitzen mustern und dann, wenn er das Papier für ordentlich befindet, in seine Kasse greifen, um Ihnen die eingeforderte Summe vorzuzählen.“
Andree hatte nicht erwartet, schon in der ersten Stunde seiner Lehrtätigkeit mit derart verantwortungsvollen und vor allen Dingen vertraulichen Aufgaben konfrontiert zu werden. Er meinte, die Münzen des Herrn Wert schon vor sich zu sehen und starrte auf das Pult, auf dem sich imaginäre Häufchen stapelten.
„Dies ist der Augenblick, von welchem vieles abhängt! Ich muss hier nämlich anmerken, mein Sohn, dass in der Handelswelt gar nicht auffällt, wenn sich der eine gegen den anderen so gut wehrt, wie er nur kann.“
Andrees Stirn legte sich in Falten und der Kaufmann beeilte sich, die krause Stirn zu glätten.
„Im Handel, merken Sie sich das, hört alle Freundschaft auf, im Handel sind alle Beteiligten die bittersten Feinde. Ich will Ihnen das näher erklären. Sie stehen vor Herrn Wert, um das Geld in Empfang zu nehmen. Er sieht Sie an und schaut noch mal. Dann ersinnt er seinen Plan, bei dem er denkt: ‚Das scheint ein junger unerfahrener Mensch zu sein‘, und just in diesem Augenblick fällt ihm ein, dass er noch einige schlechte Münzsorten in der Kasse hat und es höchste Zeit wäre, sie in Umlauf zu bringen. Dabei beschließt Herr Wert still und leise, dass Sie derjenige sind, der ihn bei diesem Unterfangen unterstützen könnte.“
Empörung zeichnete sich angesichts solcherart Schlechtigkeit auf dem jugendlichen Antlitz ab. Doch Andree Pries’ Lehrherr hatte noch nicht geendet.
„So also denkt Herr Wert, aber kein Wort davon lässt er verlauten, er greift in seine Geldkiste und ich bin mir ganz sicher, er hat kein Mitleid mit Ihrer Jugend, Ihrer Unschuld, Ihrem Unverstande und wenn Sie nicht gehörig aufpassen, dann mischt Ihnen Herr Wert ein paar beschnittene Dukaten, ein paar hannöversche Groschen oder andere minderwertige bereits verfallene Münzen unter, die zwar schön groß sind, jedoch keinesfalls in Gewicht und Metallgüte dem vermeintlichen Wert entsprechen. Und so sicher wie die Rathausuhr auf dem Mittelmarkt um 12.00 Uhr ein Dutzend Mal schlägt, so sicher bekommen Sie es dann mit mir zu tun!“
Zufrieden registrierte Borgwart das Entsetzen auf der Miene des Jungen und fuhr seelenruhig fort. „Es versteht sich von selbst, dass ich Herrn Wert nur als unschuldiges Beispiel anführe. Herr Wert ist ein ehrbarer Mann. Doch warum habe ich Ihnen das alles erzählt?“ Borgwart erwartete keine Antwort von Andree, sondern hob seinen beschwörenden Zeigefinger in die Höhe. „Es besteht doch zumindest die Möglichkeit, dass dem ehrenwerten Herrn Wert einmal etwas Menschliches passiert, so sind Sie unter allen Verhältnissen des Lebens verpflichtet, Herrn Wert für einen – ich will nicht gerade sagen, Schuft – jedenfalls, aber für das zu halten, was einem Schuft zwischen Hell und Dunkel
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