Weisse Haut - Schwarze Haut
deswegen sein mtoto getötet, danach ihn, damit
sich keiner mehr weigert.“
„Warum dann aber jemanden so verstümmeln?“
„Sie wollen Angst verbreiten, ihre Macht demonstrieren.“
Im letzten Tageslicht stolperten sie bergabwärts und
William fragte sich, was er eigentlich hier machte. Er tötete Menschen, von
denen er nicht wusste, ob sie etwas Unrechtes getan hatten. Eventuell hatte man
sie gezwungen, diesen Eid zu schwören. Das breitete sich immer mehr zu einem
widerlichen Guerillakrieg aus und er mittendrin, konnte sich dem nicht
entziehen. Dabei hatte er Krieg immer abgelehnt, wollte nie Soldat werden.
Deswegen hatte er 1938 Great Britain verlassen und nun? Die Schlinggewächse
griffen nach ihm und mit einer heftigen Bewegung schlug er diese weg.
Endlich erblickten sie eine zartgrüne Lichtung und etwas
erstaunt sahen sie die Buschböcke, die aufschauten und sofort die Flucht
antraten, begleitet von ihrem scharfen, lauten Gebell. Sie machten nur kurz
halt, da sie noch vor Anbruch der Nacht bei Marvins Bruder sein wollten. Alle
freuten sich auf ein richtiges Essen, eine warme Stube und auf etwas Wasser zum
Waschen. Man konnte den Schmutz wegwaschen, aber nicht das Erlebte. Das würde
ihn immer begleiten. Er würde den heutigen Anblick nie vergessen können. Es
schürte allerdings auch den Hass auf Ngumo in ihm. Er wollte, dass der Mann
gefasst wurde. Egal ob tot oder lebendig. Er sollte für diese abscheulichen
Grausamkeiten die Strafe erhalten.
Den Anblick dieser Leichenteile sollte er nie mehr
vergessen. Er hatte andere Tote gesehen, Männer, denen man Finger, Hände
abgehackt hatte, andere, deren Körper überall mit getrocknetem Blut beschmiert
war, zerstückelte Tiere, aber das heute war Abscheulicher, als alles was er je
zuvor erblickt hatte.
*
D ie Regenfälle hatten eingesetzt. Ein sanfter
Schauer fiel nieder, als William die Fensterläden öffnete. Zufrieden schaute er
eine Weile in den noch dämmrigen, frühen Morgen hinaus. So liebte er den Regen.
Sanft, gleichmäßig, langsam und stetig, nur mit kurzen Unterbrechungen. Die
Blätter der Sträucher und Bäume sahen saftig grün aus, frei von jeglichem
Staub. Die neuen Setzlinge würden sich über den Regen freuen und gut anwachsen.
Er legte noch ein wenig Holz in den Kamin, damit Eve nicht frieren würde, wenn
sie aufstand. Unten hörte er schon seinen mwana meckern. Anscheinend bekam er
seinen Willen nicht, amüsierte er sich, aber Theresa hatte den mtoto gut im
Griff. Er zog sich rasch an, setzte sich auf die Bettkante und schaute die
schlafende Frau an. Eigentlich sah sie nicht wie eine 26-jährige Frau aus,
sondern eher wie ein junges Mädchen. Sanft streichelte er ihr Gesicht, streifte
die langen Haare etwas beiseite. Sie schlug die Augenlider auf, blickte ihn an.
„Sabalkheri, malaika.“
Sie legte die nackten Arme um seinen Hals und er küsste
sie voller Zärtlichkeit. Die Tür wurde aufgerissen und James stürmte ins
Zimmer, warf sich auf das Bett.
„Jambo, bin fertig. Wir können los.“
„In einer halben Stunde fahren wir. Eve zieht sich an,
trinkt Kaffee und ich ebenso.“
„Den hol ich euch hoch, dann geht es schneller.“ Schon
huschte er hinaus und William erhob sich. „Ich gehe lieber helfen, sonst haben
wir nur Scherben.“
„Ich beeile mich. Du hättest mich früher wecken sollen.“
„Du hast so süß geschlafen, da habe ich es nicht übers
Herz gebracht. Wenn wir aus Nairobi zurück sind, werde ich James bei Ndemi
schlafen lassen, damit du richtig ausschlafen kannst. Du stehst viel zu früh
auf.“
„Du auch. Ich musste immer schon so zeitig aus den Federn
und bin es daher gewohnt.“
„Schlafen wir beide aus. Keine Diskussion. So, ich hole
uns den Kaffee hoch.“
Nairobi sah anders aus, als sonst. Überall erblickte man
uniformierte Männer und sie verstärkten nur noch das unbehagliche Gefühl, das
viele Weiße hatten. Es glich mehr einem Militärlager, als einer Großstadt.
Unter den baumbestandenen Straßen patrouillierten Soldaten, selbst Schwarze
hatten dieses bornierte Auftreten. Es waren zum großen Teil Kikuyu, die eine
Art Bürgerwehr gebildet hatten und in Uniform herumstolzierten. Die Schwarzen
gingen ihnen aus dem Weg, sie sahen mürrischer aus. Kein Lächeln mehr, nichts.
Angst grassierte bei Schwarz und Weiß. Der Rassenhass nahm schon oftmals
monströse Dimensionen an. Im gesamten Land herrschte Misstrauen, Panik und
Terror und ein Ende war nicht abzusehen.
Wie immer hatten sie
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