Weiße Nächte, weites Land
Franz.
»Pah, schlag dir das aus dem Kopf! Ich wandere doch nicht aus, um mich mit einem Waidbacher Lumpen wie dir abzugeben.«
Franz lachte lauthals. »Das hast du aber auf dem letzten Dorffest ganz anders gesehen.«
»Bild dir bloß nichts ein, Franz! Ich hab’ dich nur benutzt, um dem Georg eine lange Nase zu drehen, der mich darum gebeten hat, seine Frau zu werden.«
»Dass du es ernst gemeint haben könntest, wäre mir niemals in den Sinn gekommen, Schönste«, erwiderte Franz mit einem listigen Blinzeln. »Auch dein Ruf ist in Waidbach und drum herum bestens bekannt.«
Christinas Nasenflügel weiteten sich, als sie Luft holte, um zu einer patzigen Erwiderung anzusetzen.
Matthias reichte es mit dem Geplänkel. Abrupt stand er auf. »Es ist spät. Lass uns heimgehen, Franz!«
»Ach, du schon wieder …« Franz zog eine Grimasse, erhob sich aber ebenfalls, nachdem er den letzten Rest des Weins getrunken und sich über die Lippen gewischt hatte. »Wann geht’s los?«, fragte er Christina.
»Das wirst du schon merken, wenn das Haus leer ist.«
Franz grinste. »Der Werber wird uns Waidbacher alle in einen Treck stecken, ob es dir passt oder nicht. Wir haben noch eine geraume Zeit das Vergnügen miteinander, Schönste.«
»Ich werde Mittel finden, dir aus dem Weg zu gehen. Darauf kannst du wetten.«
»Wahrscheinlich wirst du mich gar nicht zu Gesicht bekommen, weil ich ständig von einem Pulk der schönsten Mädchen umgeben sein werde. Und wenn wir erst in Sankt Petersburg sind und die heißblütigen Russinnen merken, welche Prachtkerle ihnen die Zarin ins Land geholt hat …«
»Jetzt lasst es gut sein!«, ging Matthias dazwischen, als Christina den Mund öffnete. »Danke für den Wein.« Er war schon an der Tür.
»Danke, dass du Klara gebracht hast, Matthias.« Christina schnurrte nun wieder wie ein Kätzchen. Sie nahm seine beiden Hände in ihre. »Ich hoffe, wir können uns irgendwann dafür erkenntlich zeigen. Du hast ihr wahrscheinlich das Leben gerettet.«
In diesem Moment kamen Helmine und Eleonora aus der Schlafkammer zurück, in die sie Klara getragen hatten. Matthias sah über Christinas Schulter direkt in Eleonoras Augen, die vor Kummer ganz verhangen waren.
»Auch von mir tausend Dank«, sagte Eleonora. »Klara wird sich erholen. Sie braucht jetzt viel Ruhe.«
»Gut, dass sie eine Schwester wie dich hat«, sagte Franz zum Abschied, bevor er mit seinem Bruder die Eingangsstufen hinabsprang. Christinas empörtes Schnaufen folgte ihm und ließ ihn erneut auflachen.
»Was für eine Kratzbürste«, sagte Franz gut gelaunt, als sie mit weit ausholenden Schritten zur Dorfstraße stiefelten.
»Hattet ihr eine Liebschaft?«, erkundigte sich Matthias.
»Nein, nur fast. Sie schäkert mit jedem Kerl. Für einen Abend war ich ihr gut genug. Aber sie ist tüchtig, findest du nicht? Ein Prachtweib.«
Matthias schwieg.
»Wäre sie nicht eine Frau für dich?«, platzte Franz da heraus.
Matthias blieb abrupt stehen. »Du meinst, ich soll um die Christina Weber werben? Wie komme ich denn dazu?«
Franz zuckte die Schultern. »Warum nicht? Sie ist zäh und fleißig und wird dir gewiss ein gutes Eheweib sein. Und wenn Eheleute bevorzugt werden …«
»Was kratzt es dich, ob ich verheiratet bin oder nicht? Du hast das Problem, dass sie dich vielleicht nicht ins Land lassen, wenn du unverheiratet bist. Mich nehmen sie mit Sicherheit auch als alleinstehenden Bauern.«
»Nun, wenn du verheiratet bist, bekommst du mehr Land – deiner Frau steht ebenfalls ein Anteil zu. Und euer Handgeld verdoppelt sich. Es hätte nur Vorteile.«
Matthias musterte seinen Bruder von der Seite, der nun die Lippen spitzte und begann, ein Liedchen zu pfeifen. Gewiss versuchte sich Franz nicht aus Sorge um ihn als Kuppler. Irgendeinen Vorteil würde er selbst von der Sache haben. Und welchen, das würde Matthias schon noch herausfinden.
5. Kapitel
A nja Eyring putzte mit einer Besessenheit die Stube, als gelte es, sie für ein Hochzeitsfest herzurichten. Die Tische, Stühle und Fenster hatte sie bereits geschrubbt, nun kniete sie auf dem Boden und bearbeitete mit Bürste und Laugenwasser die Dielen.
Nein, keine Feier stand an. Aber sie würde ihrem Vater ein blitzblankes Haus hinterlassen, wenn sie ihn verließ. In wenigen Tagen. Hoffentlich.
Sie kannte die Geschichten der Ahnen, die in Moskau und Sankt Petersburg als Apotheker, Ärzte und Kaufleute zu hohem Ansehen gekommen waren. Und sie wusste, dass sich die
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