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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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den Kopf an seine Schulter geschmiegt und Brighde hatte im Schlaf ein Ärmchen um seinen Hals geschlungen.
    Irgendwie mussten ihm die Mädchen mitten in der Nacht Platz gemacht haben und auf die andere Seite des Bettes gekrochen sein. Eleanor betrachtete sein Gesicht genauer und entdeckte sogar ein kleines Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte.
    Eleanor ließ sich noch einmal zurücksinken, kuschelte sich an das schlafende Trio und schloss die Augen. Sie wollte noch eine kleine Weile in Mr Grays unbeschreiblichem Bett dösen.
    Der Dunst von Londons rußigem Kohlerauch, der wie ein Schleier auf der Stadt lag, war schon zu sehen, bevor sie die Vororte erreichten. Bereits in Chiswick konnte man den Abwassergestank, den Geruch vergammelter Abfälle des Marktes, von verfaultem Obst, Gemüse und Fisch wahrnehmen. Herbstlaub lag auf der Straße und umwirbelte die Kutsche, als sie hindurchfuhren.
    Eleanor erinnerte sich, dass sie als Kind immer furchtbar aufgekratzt war, wenn die Stadt in Sicht kam, dass sie in Ealing den Kopf aus dem Kutschenfenster gestreckt hatte und es kaum erwarten konnte, Kensington und Hyde Park Corner zu sehen, weil es dann nicht mehr weit war.
    Das geschäftige Treiben, die Menschenmenge, das Knirschen, das Zwitschern, Summen, Trappeln, Surren, Zischen, all das hatte sie früher in hellste Aufregung versetzt. Sie hatte sich vorgestellt, dass sich Straßenräuber hinter den dicken Bäumen von Knightsbridge versteckten, irgendwann riefen »Geld oder Leben«, und die Reichen um ihre Wertsachen erleichterten. Sie hatte sich eingebildet, der Geist der alten Queen Anne würde aus einem der oberen Fenster des Kensington Palastes spähen, in dem die rastlose Seele angeblich spukte.
    Doch als sie jetzt an dem belebten Strand entlangfuhren, empfand sie nichts von der überschäumenden Vorfreude ihrer Jugend.
    Stattdessen sah sie all den Schmutz, das Durcheinander und den Morast, die Menschen, Kutschen und die Häuser, die jeden Sonnenstrahl aussperrten, und sehnte sich nach dem Anblick eines von Nebelfetzen umspielten Felsens, nach Eissturmvögeln, die ihre Kreise am Himmel zogen, und nach Cudu, der sich in der großen Halle räkelte.
    Die Kutsche machte in der Chancery Lane vor dem Büro von Gabriels Anwalt Halt. Mr George Pratt war ein untersetzter Mann mit ungeheuer buschigen Augenbrauen, die über der Nasenwurzel zusammengewachsen waren. Er hatte schütteres graues Haar und war gebürtiger Schotte. Als er ihnen vorgestellt wurde, begrüßte er Eleanor und die beiden Mädchen herzlich.
    »Es ist mir ein Vergnügen, Lady Dunevin, Miss Juliana und Miss Brighde. Willkommen in London.«
    Er war der Erste, der Eleanor mit ihrem neuen Namen ansprach, und der Klang gefiel ihr.
    Sie war nicht mehr Lady Eleanor Wycliffe.
    Mr Pratt hatte noch einige geschäftliche Angelegenheiten mit Gabriel zu besprechen, ehe er ihm die Schlüssel für das Stadthaus in der Upper Brook Street aushändigte - eine Straße, die Eleanor sehr gut kannte. Sie war ganz in der Nähe des Grosvenor Square, eine ruhige Wohngegend mit stattlichen Häusern und nur wenige Blocks von der Londoner Residenz ihres Bruders, Knighton House, am Berkeley Square entfernt.
    Nach dem Besuch bei Mr Pratt kamen sie auf der Fahrt in die Upper Brook Street über den Berkeley Square und Eleanor sah den polierten Türklopfer in Form einer Ananas draußen an der Haustür. Das war das Zeichen, dass sich die Familie in Knighton House aufhielt. Ein Schauer durchlief Eleanor, als sie plötzlich den Drang verspürte, die Kutschentür aufzureißen und die wenigen Steinstufen zu dem Haus hinaufzulaufen.
    Gabriel merkte, dass Eleanor die rote Ziegelfassade und das Gebäude, das sie fast ihr ganzes Leben lang als Zuhause angesehen hatte, sehnsüchtig betrachtete, als ihr Gefährt plötzlich vom Verkehr aufgehalten wurde. Offenbar sah er ihrem Gesicht den Kummer und die Unentschlossenheit an, denn er neigte sich zu ihr und fragte: »Was ist mit dir, Eleanor?«
    Sie sah ihn mit einem kleinen Lächeln an und verdrängte die dunklen Gedanken. »Das ist das Haus meiner Familie«, sagte sie. »Die Fenster da oben hinter dem Baum gehören zu meinem Schlafzimmer. Meine Mutter und ich haben die Blumenkästen an den unteren Fenstern im Frühjahr bepflanzt.«
    Die Haustür ging auf, und Eleanor schnappte nach Luft, als der Butler Forbes erschien und einen Teppichläufer über dem Geländer ausschüttelte.
    Gabriel spürte, wie sehr es sie quälte, die Szene wie eine Fremde zu

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