Weiße Nebel der Begierde
Zurechtweisungen, das ganze Drum und Dran - ihr war plötzlich, als wäre das alles schon eine Ewigkeit her.
Sie gingen zu einem Schneider in der Jermyn Street, bestellten neue Krawatten für Gabriel und erstanden Seidenbänder in allen Farben für Mairi bei der Putzmacherin. Während Gabriel mit Juliana loszog, um neue Federkiele und Siegelwachs zu besorgen, sahen sich Eleanor und Brighde die Schaufenster in der Old Bond Street an.
Als Brighde die mit Früchten dekorierten Hauben und Hüte sah, meinte sie mit der Weisheit und dem gesunden Menschenverstand eines Kindes: »Ich wüsste nicht, ob ich die auf den Kopf setzen oder aufessen soll.«
Als sie zu der Ecke zurückgingen, an der sie Gabriel und Juliana treffen sollten, hörte Eleanor eine Stimme.
»Eleanor! Ich kann es nicht glauben - sind Sie es wirklich?«
Eleanor drehte sich um und erstarrte, als sie Richard Hartley sah, der über den Bürgersteig auf sie zulief.
Er war sehr elegant in einen braunen und dunkelblauen Anzug gekleidet; sein Haar war modisch frisiert unter der Krempe seines hohen Zylinderhutes, und seine Stiefel glänzten, Richard war jeder Zoll ein modischer junger Mann.
»Richard«, war alles, was Eleanor herausbrachte, ehe er ihre behandschuhte Hand ergriff und einen Kuss darauf drückte.
»Ich war vollkommen verrückt aus Sorge um Sie«, sagte er. »Nachdem ich erfahren hatte, dass Sie die Stadt verlassen haben, schrieb ich einen Brief nach Schottland, und als ich keine Antwort erhielt, dachte ich, er wäre vielleicht nicht angekommen. Dann war ich nicht sicher, ob Sie sich überhaupt noch in Schottland aufhalten, also schrieb ich an Ihren Bruder, aber auch er antwortete nicht. Aus alldem schloss ich, dass Sie auf dem Weg zurück nach England sein müssen, und kam hier her, um auf Sie zu warten. Ich wollte um Vergebung bitten, weil ich Sie mitten in der Saison verlassen musste, ohne Zeit für Erklärungen zu haben. Ich habe vor zwei Tagen im Knighton House vorgesprochen und meine Karte hinterlassen, aber auch das blieb bisher ohne Antwort.« Er strahlte. »Es ist gut, Sie wiederzusehen. Wann sind Sie in die Stadt gekommen? Hatten Sie genug von den grimmigen Highländern in Kilts?«
Eleanor sah sich um und suchte Gabriel in der Menschenmenge auf dem Bürgersteig. »Wir sind erst heute Morgen eingetroffen.«
»Heute Morgen?« Er lachte. »Und Sie sind schon bei einem Einkaufsbummel? Es muss furchtbar für Sie gewesen sein ohne die Bond Street.« Erst jetzt schien ihm Brighde aufzufallen, die neben Eleanor stand, ihre Hand festhielt und ihn mit unverhohlener Neugier anstarrte.
»Hallo«, grüßte Richard. »Ich bin Lord Herrick.«
»Ich bin Brighde. Ihr Hut ist aber sehr groß.« Sie schaute zu Eleanor auf. »Ich kann mich in seinen Stiefeln sehen, so sehr glänzen sie.«
»Richard«, fiel Eleanor ein, »haben Sie mit meiner Familie gesprochen?«
»Nein. Ich wurde länger als erwartet in Yorkshire aufgehalten. Wahrscheinlich dachten Sie schon, ich hätte Sie vergessen.« Er hielt lange genug inne, um ihre Nervosität zu bemerken. »Stimmt etwas nicht?«
Ehe Eleanor eine Erwiderung formulieren konnte, kamen Gabriel und Juliana um die Ecke. Juliana, die vor dem Fremden zurückschreckte, als würde sie mit einem Blick die peinliche Situation erfassen, drückte sich an Eleanor und schob die kleine Hand in ihre. Gabriel stellte sich dicht hinter seine Frau und schloss so die Reihe, die sozusagen einen Schutzwall um Eleanor bildete. Obwohl er kein Wort von sich gab, war offensichtlich, dass er mehr als nur ein flüchtiger Bekannter war.
Sehr viel mehr.
Eleanor sah, wie sich innerhalb eines Augenblicks verschiedene Empfindungen auf Richards Gesicht widerspiegelten - angefangen von der Begeisterung, ihr über den Weg gelaufen zu sein über Verwirrung bis zu sprachlosem Entsetzen.
»Richard«, sagte sie gelassen, um die unheimliche Stille zu durchbrechen, die sich mit einem Mal über die belebte Straßenkreuzung gesenkt zu haben schien, »erlauben Sie, dass ich Ihnen meinen Mann, Lord Dunevin, und unsere Tochter, Miss Juliana MacFeagh, vorstelle? Ihre Freundin Brighde haben Sie ja bereits kennen gelernt. Gabriel, Mädchen, das ist ein Freund von mir.« Sie sah Richard an. »Ein guter Freund - Richard Hartley, der Earl of Herrick.«
Richard starrte Gabriel an, der etliche Zentimeter größer war als er und die Blicke vieler Fußgänger auf sich zog. Nach der ersten Schrecksekunde richtete Richard den Blick wieder auf Eleanor; seine
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