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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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sich. »Tatsache? Ja, sicher. Okay. Kein Problem.«
    »Was ist?«, fragte Ren.
    »Kleiner Umweg«, sagte Robbie. »Im Kühlraum liegt eine Leiche, die ich mir ansehen muss.«
    »Hier?«
    Robbie nickte.
    »Kam der Anruf aus Summit County?«, fragte Ren.
    Robbie schüttelte den Kopf. »Nein. Aus Clear Creek.«

    Die Gerichtsmedizin von Jefferson County war in einem modernen Verwaltungsgebäude untergebracht, zehn Minuten von der Main Street in Golden entfernt. Dr. Tolman war Bezirkspathologe von sechzehn Countys, zu denen auch Summit und Clear Creek gehörten.
    »Männlich, Ende vierzig«, sagte Dr. Tolman, nachdem er Ren und Robbie begrüßt hatte. »Der Tote wurde im Clear Creek River gefunden. Der stellvertretende Gerichtsmediziner, dieser inkompetente Hohlkopf, hat ihn hierhergebracht, aber niemandem Bescheid gegeben. Der Mann hatte gar nicht erkannt, dass es sich um eine Schusswunde handelt. Das Wasser hatte das ganze Blut weggewaschen.«
    »Trotzdem …«, meinte Ren.
    »Ich weiß«, sagte Tolman.
    Sie betraten den Raum, in dem die Leiche auf einem Stahltisch lag.
    Denis Lasco stand neben der Waage.
    »Tag, Mr. Lasco«, sagte Ren.
    »Oh, hallo«, sagte Lasco.
    »Schon wieder bei der Arbeit?«
    »Schweren Herzens«, sagte er und hielt hoch, was er gerade aus der Brusthöhle des Toten herausgenommen hatte.
    Ren verzog das Gesicht.
    »Als mir klar wurde, dass die letzte Frau, die mich umgehauen hat, eine Leiche war, wusste ich, dass es Zeit für mich wird, wieder auf die Beine zu kommen.«
    »Kann ich verstehen«, sagte Ren und zeigte auf Robbie. »Das ist mein Kollege Robbie Truax.«
    »Freut mich«, sagte Lasco und nickte Robbie zu. »Ich hatte vorgehabt, langsam wieder in den Job einzusteigen. Zuerst den Papierkram erledigen, dann wieder hierherkommen und dem Arzt ein paar Berichte bringen. Und hier bin ich, gestiefelt und gespornt, der Kopf-und Brustaufsäger des Tages.« Er schaute Ren an. »Sein Vertreter hat sich krank gemeldet, und plötzlich muss man sich um zwei Leichen kümmern. Zuerst hatten wir einen Notfall, der den Sanitätern unter den Händen weggestorben ist, und dann ihn hier.«
    »Harter Tag«, sagte Ren.
    »Ein alter Mann. Herzanfall«, sagte Lasco. »Tja, aber die Ärzte aus dem Flachland führen alle Gesundheitschecks auf Höhe des Meeresspiegels durch. Und dann geben sie ihren Patienten grünes Licht, ihren Urlaub im Hochgebirge zu verbringen. Und zack, geben die Leute den Löffel ab. Es ist verrückt. Und es ist traurig. Ich hasse es, die Frauen zu sehen, wenn ihre toten Ehemänner hier liegen, nachdem sie an einem Herzanfall gestorben sind. Es sei denn, die Frauen sind unter dreißig. Dann frage ich mich, wessen Idee es wohl gewesen ist, Urlaub in den Bergen zu machen. ›Komm, Schatz, wir machen dort Urlaub, wo deine Pumpe am schwerstenschuften muss. Vielleicht weist mein Konto ein paar Tage später dann ein hübsches Plus auf.‹«
    »Makaber«, sagte Ren.
    »Kann man wohl sagen«, pflichtete Lasco ihr bei. »Es ist unglaublich, wie habgierig Angehörige sein können. Ich habe manchen Leuten schon die Kreditkarten und den Schmuck ihrer geliebten Verblichenen aus den Händen gerissen. Können Sie sich das vorstellen? Jetzt fotokopiere ich jedes persönliche Besitzstück, das zusammen mit dem Leichnam eingeliefert wird. Es ist abscheulich. Es ist widerlich. Ich lege Brieftaschen und Skipässe und Führerscheine und sogar Lippenpflegestifte auf meinen Kopierer …« Er schüttelte den Kopf.
    »Ihr Karma wird diese Leute einholen«, sagte Ren. »Man kann kein habgieriges Leben führen, ohne später die Rechnung präsentiert zu bekommen.«
    »Das hoffe ich«, sagte Lasco. Er zeigte auf ein Regal an der Wand. »Okay. Ziehen sie das da bitte an.«
    Ren und Robbie streiften die Schutzkleidung über und banden sich den Mundschutz vors Gesicht. Als sie fertig waren, schauten sie sich nach Überschuhen um. Ren sah, dass Dr. Tolmans schicke Lederschuhe nicht geschützt waren. Lasco fing ihren Blick auf.
    »Ich weiß«, sagte er. »Er trägt sie nicht. Und es tut mir leid, aber das hier sind meine. Andere habe ich nicht.«
    Ren schaute auf ihre Wanderstiefel, für die sie zweihundert Dollar hingeblättert hatte.
    »Was kann denn schlimmstenfalls passieren?«, fragte sie.
    »Mit dem Brustkorb bin ich schon fertig«, sagte Lasco, als sie neben dem Leichnam standen.
    »Hm, ja«, begann Tolman. »Eine Schusswunde im Hinterkopf … Austrittswunde im Unterkiefer … Denis, würden Sie mir bitte

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