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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wurden vom klatschnassen Gras gleichsam verschlungen.
    Endlich fand Philps den Mut, die Frage zu stellen, die ihn schon lange beschäftigte:
    »Wußte Ferdinand Graux von Ihrer Ankunft?«
    »Nein! Es war vorgesehen, daß ich erst nach der Regenzeit kommen würde, und der weiße Pater in Niangara sollte uns trauen …«
    Er schwieg dazu, schließlich murmelte er:
    »Sind Sie denn nicht müde? Soll ich mich nicht ans Steuer setzen?«
    »Nein, danke.«
    Sie war froh, daß sie fahren konnte. Das lenkte sie wenigstens ab. Sie mußte sich konzentrieren, denn die Straße war wegen der Radspuren recht holprig. Durch das Wagendach drangen dicke Wassertropfen ins Innere. Sie verursachten ein pladderndes Geräusch und spritzten ihnen in die Augen. Beide hatten einen nassen Arm, sie rechts, er links.
    Bald stießen sie auf einen Trupp von etwa hundert Schwarzen, die mitten auf der Piste im Schlamm schaufelten. Es waren die Männer, die Macassis angefordert hatte und die in einer Nacht einen Erdwall gebaut hatten, um den Sturzbach abzuleiten, der über die Straße floß. Um sie passierbar zu machen, legten sie Schilfbündel darüber.
    Zwar drehten die Räder eine Zeitlang leer, aber sie kamen durch. Der Häuptling, der als einziger einen Helm trug, grüßte militärisch, denn es handelte sich sicher um wichtige Persönlichkeiten, sonst hätte ihn sein Freund Macassis doch wohl nicht in seiner Nachtruhe gestört.
    »Verändert sich denn die Landschaft überhaupt nicht?« fragte Emilienne.
    »Kaum. Aber bei Sonnenschein sieht sie doch anders aus …«
    »Und die Schwarzen?«
    »Sie haben sie ja gesehen. Sie sind sehr freundlich. Ferdinand hat mir versichert, daß die Logos die gutartigsten und gleichzeitig auch die schönsten Schwarzen sind …«
    Und die nacktesten! Die Bekleidung der Frauen bestand in einem Büschel von weißen Gräsern zwischen den Beinen, und die Männer waren meist nur mit einem Stoffetzen in Form eines winzigen Lendenschurzes angetan.
    »Wurde Lady Makinson schwer verletzt?«
    »Anfangs sah es ganz so aus. Sie meinte erst, sie habe sich ein Bein gebrochen, doch dann stellte sich heraus, daß nur ihr Knie luxiert war. Rauchen Sie nicht?«
    »Nein! Danke!«
    »Darf ich …«
    »Bitte.«
    Doch jedesmal wenn der Zigarettenrauch ihr ins Gesicht zog, zerstreute er ihn mit der Hand.
    »Wer ist der Mann, der den Kauf des Autos vermittelt hat?«
    »Schon wieder ein Engländer! Sie haben wirklich kein Glück! Schon an Ihrem ersten Tag im Kongo treffen sie nur britische Staatsbürger an. Smith, der einzige Belgier, hat ebenfalls einen englischen Namen.«
    »Was macht er?«
    »Smith?«
    »Nein! Macassis …«
    »Er lebt eben! Punktum! Vor etwa vierzig Jahren hat er eine Goldgrube entdeckt, vor allem aber Afrika und die Negerinnen. Major Crosby kann ihn nicht riechen. Er findet, daß so ein Mensch eine Schande für ganz England ist.«
    »Ist der Major mit Ferdinand befreundet?«
    »Sie sahen sich von Zeit zu Zeit. Ich glaube, daß Graux seine Plantage fast nie verließ. Da mußte schon zufällig ein Flugzeug bei ihm abstürzen …«
    »Ja …«, sagte sie träumerisch.
    »Verzeihen Sie mir bitte …«
    »Weswegen denn?«
    »Weil ich davon angefangen habe …«, erwiderte er verlegen.
    Doch auf das, was nun kam, war er wirklich nicht gefaßt. Das junge Mädchen blickte ihm voll ins Gesicht und fragte ihn unverblümt:
    »Und Sie?«
    Er begriff sie sofort. Aber es war doch ein Schock. Er wußte nicht, was er antworten sollte.
    »Das ist nicht dasselbe …«, murmelte er leichthin, brachte mühsam ein Lächeln zustande.
    »Ah!«
    »Lady Makinson ist vor allem eine Freundin, eine gute Kameradin. Verstehen Sie das?«
    »Ich versuche es!«
    Dieser junge Mensch, der es nie über sich gebracht hätte, sich einem Mann anzuvertrauen, der sich als echter Engländer seiner Gefühle schämte, fand auf einmal gar nichts dabei, diesem jungen Mädchen, das er gestern um sechs Uhr noch nicht kannte, überaus heikle Dinge zu erklären.
    »Graux hat überhaupt nichts verstanden! Er hielt mich für eifersüchtig …«
    Ein wenig genierte er sich doch, aber ihre Ruhe, ihre freundlichen Blicke machten ihm Mut.
    »Lady Makinson ist für mich so etwas wie eine Kusine. Wir haben uns auf einem Schiff nach Tahiti kennengelernt, das nur langweilige Beamte an Bord hatte. Wir verbrachten die Zeit auf dem Oberdeck, wo wir Sonnenbäder nahmen und Gedichte lasen … Lady Makinson ist eine sehr gebildete Frau.«
    »Ja! Ja!« sagte Emilienne etwas

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