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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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genug. Er war gebrandmarkt, wie Tomarov es ausgedrückt hatte. Man würde ihn zurückrufen, dann kamen Verhöre, dann die Anklage. Sie wußte es.
    Sie überlegte kühl und ohne Sentimentalität. Er hatte sich gegen die Partei gewandt und gegen sein Volk. Wenn es nicht so wäre, würde man ihn nicht verdächtigen. Der Staat hatte immer recht. Die Partei konnte sich nicht irren. Ihr Denken war so starr, wie die Partei es befahl. Wenn man Feodor nicht mehr traute, dann war er auch nicht mehr vertrauenswürdig. Und wenn sie bei ihm blieb, dann würde man auch ihr nicht mehr vertrauen, sie würde ihre Stellung verlieren, würde ausgestoßen werden in eine Welt des Unberechenbaren, wenn sie nicht überhaupt zusammen mit ihm verhaftet und angeklagt wurde.
    Nicht daß sie Angst hatte. Für ihre politischen Ideale hätte Elena Maximova Gefängnis und Tod ohne Zögern auf sich genommen.
    Aber dies war etwas anderes. Sverdlov war zu den Feinden übergelaufen. Damit hatte er sich von ihr getrennt.
    Sie nahm das Bild zur Hand, das auf dem runden Tisch ihres Wohnzimmers stand, eine Fotografie in einem schlichten Rahmen. Ihr Hochzeitsbild.
    Sie löste langsam den Holzrahmen, nahm die Fotografie heraus und zerriss sie.
    Am nächsten Morgen fand sich Gregory Tomarov im Büro des Major-Generals Ivanovsky ein, im Hauptquartier des KGB am Dzershinsky-Platz. – Der Fall Feodor Sverdlov war angelaufen und würde Schritt für Schritt nun abgewickelt werden.
    Mit der Familie der Maximov würde es keine Schwierigkeiten geben, teilte Tomarov dem Hauptquartier mit, Elena Maximova hatte bereits ein Scheidungsgesuch eingereicht.
    »Ich kenne Richard Paterson«, sagte Sverdlov. Er zündete eine Zigarette an und steckte sie zwischen ihre Lippen.
    »Warum hast du dir gerade den ausgesucht? Es fällt mir schwer, das zu verstehen.«
    »Ich habe mich in ihn verliebt«, sagte Judith. Sie lehnte sich zurück und nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette. Sie gab sich Mühe, ruhig und gelassen zu erscheinen, doch sie täuschte ihn nicht damit, er merkte, daß sie nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Er dachte, daß es ihr gut tun würde, zu weinen. Behutsam nahm er ihre Hand in seine.
    »Erzähl mir, was geschehen ist. Was hat er dir angetan, daß du so verstört bist? Und daß du auch von mir nichts wissen willst.«
    »Ich habe ihn vor acht – nein, vor neun Monaten kennen gelernt. Es war der erste Mann, mit dem ich – ich meine, der erste Mann seit Pat starb. All die Jahre hatte ich nur für meine Arbeit gelebt, ich freundete mich mit niemandem an und ich fühlte mich sehr wohl dabei. Dann nahm mich Nancy mit nach Washington, und dort lernte ich Richard Paterson kennen. Nancy hat dort viele Bekannte, sie ist die Tochter meines Chefs. Wir verbrachten ein Wochenende in Washington, und ich traf dort Richard Paterson. Kurz darauf rief er mich in New York an und lud mich zum Essen ein.«
    »Wie lange hat er gebraucht, bis du mit ihm geschlafen hast? Hat er dir Blumen geschickt? Und dir erzählt, daß er dich liebt?«
    »Ja«, sagte Judith mit gepresster Stimme, »ja, genauso war es. Lunch, Dinner, Anrufe. Und eines Tages erzählte er mir, daß er sich scheiden lassen würde. Dann kam er mit zu mir. Ich habe ihm geglaubt, Feodor. Er war allein, man hatte mir erzählt, daß seine Frau sich geweigert hatte, ihn nach Amerika zu begleiten.«
    »Und so wurdet ihr also ein Liebespaar. War er ein guter Liebhaber? Hat er dich glücklich gemacht?«
    »Darauf kann ich nicht antworten.« Sie zog ihre Hand zurück, verletzt von seinem leichten Ton.
    »Deine Art, darüber zu sprechen, das paßt hier nicht. Es ist nicht so, daß ich mich eben mal so im Vorübergehen mit einem Mann einlasse. Ich bin nicht so. Ich habe ihn geliebt.«
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich wollte dich nicht ärgern. Und warum ist es nun zu Ende?«
    »Durch einen dummen Zufall.« Sie lachte kurz auf.
    »Ich traf vor einiger Zeit ein Ehepaar, das ich flüchtig kenne, wir aßen zusammen zu Mittag, und sie sprachen von ihm. Sie hatten keine Ahnung von unserem Verhältnis. Und die Frau erzählte so ganz nebenbei, daß sie seine Frau in Washington kennen gelernt hätte. Seit Monaten ist sie schon bei ihm, und er hat mir kein Wort davon gesagt. Aber was der Höhepunkt ist: Sie bekommt ein Kind.«
    Sverdlov schwieg. Als sie zu weinen, begann, rührte er sich nicht, saß reglos im Dunkel und rauchte. Es war eine schöne klare Nacht, ganz still, nur unten rauschte leise das Meer gegen den

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