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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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ja gerade. Nicht, daß du hinterher ankommst und mir Vorwürfe machst: Du bist verheiratet und hast es mir nie erzählt – so in der Art etwa.«
    »Es gibt kein Hinterher«, sagte Judith böse, zog ihren Arm weg und stand auf.
    »Vielleicht nicht jetzt und hier«, sagte er ruhig. »In drei Tagen fliege ich zurück. Und wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt gern noch von mir sprechen. Bitte setz dich wieder.«
    »In drei Tagen …? Ich dachte … ich dachte, du bleibst noch eine Woche?«
    »Ich bin vor dir angekommen.« Er bückte sich zur Erde, hob die Whiskyflasche und füllte ihre Gläser wieder.
    Judith setzte sich langsam. »Der Nachtportier wird uns sehen. Er wird darüber reden.«
    »Ganz bestimmt wird er das«, Sverdlov lächelte leicht. »Nicht nur heute. Er hat uns die ganze Zeit beobachtet und wird darüber berichtet haben. Du mußt darauf gefaßt sein, daß man dir Fragen stellen wird, wenn du heimkommst.«
    »Fragen? Was für Fragen?« Sie wandte sich überrascht zu ihm um, seine Hand faßte wieder nach ihrer.
    »Euer Intelligence Service. Oder der CIA. Oder beide. Was wirst du ihnen sagen?«
    »Daß sie sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern sollen. Lass meine Hand los. Feodor, was soll das heißen? Du hast gesagt, du willst mit mir sprechen?«
    »Lass mich deine Hand halten. Das tut mir gut, ich fürchte mich im Dunklen.«
    »Du fürchtest dich vor gar nichts«, sagte sie und überließ ihm ihre Hand. Es war merkwürdig, aber es tat ihr gut, seine Hand zu spüren. Dabei wußte sie nicht, ob sie ihm trauen konnte. Was wußte sie überhaupt von ihm?
    Plötzlich wurde er ernst, keine Spur von Spott mehr in seiner Stimme. »Du täuschst dich«, sagte er. »Jeder Mensch fürchtet sich vor irgend etwas. Auch ich. Du bist hierher gekommen, weil du vor einer unglücklichen Liebesaffäre weglaufen wolltest. Ich bin hierher gekommen, weil es nichts gibt, wovor ich weglaufen kann. Verstehst du das?«
    »Nein«, sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich verstehe es nicht. Was meinst du damit?«
    »Ich habe eine große Karriere gemacht«, sagte Sverdlov, »und werde sie weiter ausbauen können. Ich habe eine Frau, die eine recht berühmte Ärztin ist, sie ist jung und sieht gut aus. Ich bin Angehöriger eines großen mächtigen Landes und einer großen mächtigen sozialistischen Bewegung, die eines Tages die ganze Welt beherrschen wird.«
    »Gott soll uns schützen«, sagte sie.
    »Das kann er nicht, denn es gibt ihn nicht. Und nun unterbrich mich nicht, denn ich zähle jetzt meine Vorteile zusammen. Ich bin gesund, und ich kann Frauen haben, soviel ich will. Außer dir natürlich. Aber ich will keine Frauen, ich will auch nicht meine Frau, und ich mache mir nicht mehr das geringste aus der Sozialistischen Revolution. Was sagst du nun dazu?«
    Im Moment war sie so verblüfft, daß sie gar nichts sagen konnte. – Der späte Mond war jetzt am Himmel, und sie konnten einander ins Gesicht sehen. Sein Gesicht war hart, der eine Mundwinkel bitter heruntergezogen.
    Plötzlich war ihr kalt. Trotz der warmen tropischen Nacht schauerte sie zusammen.
    »Was sagst du da?« Sie flüsterte auf einmal. So als hätte sie Angst, einer könne sie belauschen.
    »Ich weiß es selbst nicht«, murmelte Sverdlov. »Darum frage ich dich ja. Ich frage dich, was soll ich tun?«
    Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
    »Vielleicht bist du nur überarbeitet«, fiel ihr schließlich ein. »Darum hast du doch Urlaub gemacht, nicht? Du fühlst dich doch schon besser, nicht.«
    »Ja.«
    Er hatte sich wieder eine Zigarette angezündet, und diesmal hatte er vergessen, ihr eine anzubieten.
    »Ja, ich fühle mich besser. Entspannt, freier. Ich habe das Gefühl, ich könnte für immer hier bleiben. Und es gebe auf der Welt nichts Wichtigeres für mich zu tun, als meine Tage mit dir zu verbringen.
    Ich will nicht zurück. Weißt du, was ich vorfinden werde, wenn ich zurückkomme? Einen Brief von meiner Frau, in dem sie mich wissen läßt, wie klug und richtig es von den Tschechen war, ihre Regierung abzusetzen und die Männer dieser Regierung als Verräter zu brandmarken, und wie falsch von uns, daß wir Dubcek nicht gleich erschossen haben …«
    »Das kann nicht ihre wahre Meinung sein.«
    »Das ist genau ihre Meinung«, sagte Sverdlov. »Und ich werde dir etwas sagen: Ich habe früher auch so gedacht. Allerdings aus anderen Gründen als sie. Aber jetzt kann ich weder ihre Meinung noch meine Meinung von früher

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