Weißer Mond von Barbados
sich nicht bloß um eine missglückte Liebesaffäre, weißt du. Es war bis jetzt mein Leben. Und nun hat sich so viel geändert. Ich habe dir heute abend gesagt: Nur eines zählt; leben, überleben. Daran werde ich denken. Ich fahre dich morgen zum Flugplatz.«
Er küßte sie. Aber die unbeschwerte Fröhlichkeit der vergangenen Tage war verschwunden. Sie war traurig und unsicher in ihren Gefühlen. Fast war sie versucht, ihn mit hereinzunehmen. Aber sie tat es nicht. Es genügte ihr, was sie mit Richard Paterson erlebt hatte. Keine neue Belastung, keinen neuen Zwiespalt. Liebe, Leidenschaft, Hingabe … und dann ein Mann, der aufstand, sich anzog und wegging. Nein, sie wollte es nicht noch einmal erleben.
Mit einiger Mühe befreite sie sich aus seinen Armen, er hatte sie zuletzt so hart geküßt, daß ihre Lippen schmerzten.
»Gute Nacht!« sagte sie und schlüpfte rasch durch ihre Tür.
Als er sie am nächsten Morgen zum Flugplatz fuhr, war er wieder er selbst, er plauderte und scherzte während der Zwanzig-Minuten-Fahrt.
Zum letztenmal, nicht ohne Wehmut, sah Judith den hellen strahlenden Tag, die leuchtenden Blumen und Büsche, spürte die Wärme der Sonne.
Auch wenn ich nie wieder hierher komme, dachte sie, ich werde diese Insel mein Leben lang nicht vergessen.
Als ihr Flug angesagt wurde, gab sie ihm die Hand. Es war ein seltsam unwirklicher, traumhafter Augenblick, er und die Insel schienen eins zu sein, es war, als ließe sie den besten Teil ihres Lebens zurück.
»Hier«, sagte er und gab ihr einen Umschlag, »das ist für dich. Ich habe dasselbe. Zum Andenken an diesen Urlaub.«
Sie öffnete den Umschlag, als sie im Flugzeug saß. Eine Frucht des Tamarindenbaumes.
»Erzählen Sie mir von Ihren Ferien, Mrs. Farrow. Haben Sie sich gut erholt?«
»Ich denke nicht daran, Irgendeine Frage zu beantworten.« Judith stand gerade aufgerichtet. Der Mann mit dem sandfarbenen Haar saß in einem ihrer Sessel.
Als sie am New Yorker Flugplatz durch die Barriere kam, stand da einer, der sich als Mitglied der Botschaft vorstellte, und sie bat, ihm zu folgen. In einem großen blauen Chevrolet fand sie den anderen Mann, der jetzt hier vor ihr saß. Beide Männer hatten sie, ohne ihre Erlaubnis zu erbitten, in ihr Apartment begleitet.
Sie benahmen sich soweit ganz normal, versperrten weder die Tür noch machten sie drohende Gesichter. Der ältere Mann – der aus dem Auto – schickte den jüngeren in die Küche, er solle Tee machen. Dann setzte er sich, zündete sich eine Zigarette an und fragte sehr höflich, ob sie wohl so freundlich wäre, ihm einige Fragen zu beantworten.
›Es kann sein, daß man dir Fragen stellt, wenn du zurückkommst‹, hatte Sverdlov gesagt. Er schien Bescheid zu wissen, wie diese Dinge abliefen.
Im Moment war Judith nur verärgert, nicht ängstlich. Wie konnte man sich nur so lächerlich betragen, sie kam sich vor wie eine Darstellerin in einem drittklassigen Spionagefilm.
Loder betrachtete sie ruhig und sah ihr an, was sie dachte.
»Was soll das heißen?« Sie stand immer noch vor ihm, Zorn im Gesicht. »Sie verfrachten mich einfach in ein Auto, kommen mit hierher, ohne von mir dazu aufgefordert zu sein, und jetzt haben Sie auch noch die Unverschämtheit, mir Fragen stellen zu wollen. Was für Fragen denn eigentlich? Wer sind Sie eigentlich, Mr. Loder?«
»Ich habe Ihnen gesagt, wer ich bin.«
Das hatte er in der Tat, im Auto, als er seinen Namen genannt hatte.
»Und jetzt erzählen Sie mir von Barbados. Ich bin niemals in der Karibischen See gewesen. Sie sind schön braun, offenbar haben Sie gutes Wetter gehabt.«
»Allerdings, das Wetter war prächtig. Aber Sie sind kaum von Washington nach New York gekommen, um mich das zu fragen.«
»Nein. Da haben Sie recht. Ich möchte alles über ihren Urlaub wissen. Haben Sie eine interessante Bekanntschaft gemacht?«
So mitten im Zimmer zu stehen, war nicht von Vorteil. Sie kam sich vor, als stehe sie vor Gericht.
In diesem Moment steckte der jüngere Mann seinen Kopf zur Tür herein. »Kein Tee da«, sagte er, nur zu Loder gewandt. »Darf es Kaffee sein?«
»Kaffee, okay. Sie trinken auch eine Tasse, Mrs. Farrow?«
Wenn sie jetzt nicht doch eingeschüchtert gewesen wäre, hätte sie ihm gesagt, er solle sich zum Teufel scheren. Ihr eine Tasse von ihrem eigenen Kaffee anzubieten!! Er hatte weder das Recht, hier zu sitzen, noch den anderen in die Küche zu schicken, in ihre eigene Küche, zum Kaffeekochen! Sie war wütend auf
Weitere Kostenlose Bücher