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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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wie es Mode ist. Oder wie man es gerade brauchen kann. Wem es nützt oder schadet. Wer damit richtig umgehen kann, um es für sich zu nützen. Und manchmal habe ich das Gefühl, alles ist nichts als eine alberne Laune.
    Wir hatten mal eine Kaiserin in Russland, die bestrafte es als Hochverrat, wenn jemand Rosa trug. Weißt du warum? Es war ihre Lieblingsfarbe, und keiner durfte sie tragen außer ihr.«
    Er lachte bitter. »Hochverrat. Alles sinnloses Gerede. Das ist wirklich der Triumph des Materialismus. Am Ende bist du so weit, daß du alles und jedes verachtest.«
    »Was hat denn dann überhaupt noch einen Wert?«
    »Das Leben«, sagte Sverdlov. »Leben und Überleben – das ist das einzige, das eine Anstrengung lohnt. Denn danach kommt nichts.« Er schüttelte den Kopf. »Glaube mir, da ist nichts. Keine Belohnung für die Guten und keine Bestrafung für die Bösen. Da ist nur die große Dunkelheit. Das Nichts! Am Leben zu sein, am Leben zu bleiben, das ist das einzige, was zählt.«
    »Nein«, sagte Judith. »Ich kann es so nicht sehen. Es macht den Menschen zu einem kalten selbstsüchtigen Wesen. Und ich glaube auch nicht, daß irgend jemand dabei glücklich sein könnte. So wie du es hinstellst, gibt es weder Liebe noch Freude, noch Hilfsbereitschaft, noch Güte … warum hast du dann eben dem dummen kleinen Kellner geholfen? Warum soll man überhaupt für irgend jemand etwas tun?«
    »O das! Das habe ich getan, um dir einen Gefallen zu tun.«
    »Warum das? Warum mir einen Gefallen tun? Wozu?«
    »Nur aus Selbstsüchtigkeit, ich will mich bei dir beliebt machen, weil ich hoffe, daß mir das eines Tages zugute kommt. Und du weißt, was ich von dir möchte.«
    »Ich weiß.«
    »Und jetzt glaubst du mir, nicht wahr?« Er lächelte und griff spielerisch nach ihrer Hand. »Du bist sehr leichtgläubig. Kein Wunder, daß der Group-Captain dich so zum Narren halten konnte. Er behauptete, dich zu lieben, und du hast es geglaubt. Ich sage, ich will weiter nichts, als mit dir ins Bett gehen, und du glaubst es auch. Dabei sind wir beide Lügner. Er und ich. Aber was soll aus dir werden, wie willst du überleben, wenn du nicht imstande bist, den Unterschied zwischen Lüge und Lüge zu erkennen. Ich mache mir wirklich Sorgen um dich.«
    »Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Und ich habe dich schon mehrmals gebeten, nicht immer wieder von Richard zu sprechen. Es war wirklich dumm von mir, daß ich dir alles erzählt habe.«
    »Es gibt nichts Bezaubernderes als eine kluge Frau, die dumme Dinge tut.«
    Er betrachtete sie mit Zärtlichkeit, und dann fragte er, ernst auf einmal: »Und nun sei mal ganz ehrlich. Bist du heute immer noch so unglücklich über deinen verlorenen Geliebten, wie du es warst, als wir uns das erste Mal sahen? Hast du immer noch ein gebrochenes Herz? Tut es dir wirklich so weh, über ihn zu sprechen?«
    »Nein«, mußte Judith zugeben. »Nein, es ist anders geworden. Vielleicht weil ich hier bin. Das Leben scheint hier leichter zu sein. Aber ich habe Angst, nach Hause zu kommen.«
    »Es wird besser gehen, als du denkst. Du wirst jetzt an mich denken statt an ihn. Ich hoffe, daß wir uns ab und zu in New York treffen werden. Wir müssen nur sehr vorsichtig sein.«
    »Ich weiß nicht, ob das für dich ratsam ist. Möglicherweise hat dein Botschafter etwas dagegen.«
    »Das mal bestimmt«, gab er zu. »Und deswegen sagte ich ja auch, wir müssen vorsichtig sein. Überlaß das nur mir. Und nun wollen wir essen, ich glaube, du hast Hunger.«
    Als sie in ihr Hotel zurückfuhren, war er sehr schweigsam. Das war ungewöhnlich bei ihm, denn er war ein gesprächiger Mann, immer amüsant, immer mit neuen Einfällen.
    Er brachte sie zu ihrer Tür, stand dort und schwieg. Sein Gesicht war im Schatten, sie konnte nicht sehen, was es für einen Ausdruck hatte.
    »Werde ich dich sehen in New York?« fragte er schließlich.
    »Ich weiß nicht«, sagte Judith. »Hier war alles so anders, dort wird es sicher kompliziert. Warte erst mal ab, bis du wieder bei deiner Arbeit bist. Vielleicht willst du mich dann gar nicht mehr sehen.«
    Sie steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, ihre Hand zitterte ein wenig. Er öffnete für sie die Tür.
    »Du warst sehr lieb zu mir«, sagte sie plötzlich. »Und du hast mir wirklich geholfen … mit dieser anderen Sache. Es ist heute wirklich leichter für mich. Ich wünschte, du würdest dich auch wieder wohler fühlen.«
    »Wie man's nimmt«, sagte er. »Bei mir handelt es

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