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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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tun. Die ganze Scheidung ist nur ein Trick, um mich nach Hause zu locken.«
    Er dachte an Tomarovs Brief, voll von salbungsvollen Worten und väterlichen Ermahnungen. Seine Augen wurden schmal, er sagte etwas in seiner Sprache, das Judith nicht verstand.
    »Das ist eine weitaus ernstere Sache als eine Scheidung«, das schiefe Lächeln verzerrte seinen Mund zu einer bitteren Grimasse. »Sie haben Kalinin zurückgebracht, um gegen mich eine Anklage zusammenzubrauen. Die dürften sie jetzt zusammenhaben. Armer Kalinin! Und mein guter alter väterlicher Freund schreibt mir dringlichst, ich soll nach Hause kommen. Und meine eigene Frau steckt da mit drin …«
    »Aber was hast du denn getan?« rief Judith. »Warum wollen sie denn eine Anklage zusammenbrauen? Ich kann das nicht verstehen …«
    »Nein, das kann man von dir auch nicht erwarten«, sagte er ruhig. »Du kannst das nicht verstehen. In der Welt, in der du lebst, passieren solche Dinge nur in Romanen. Spionagegeschichten, in denen sich der Held mit den Zähnen durch den elektrisch geladenen Stacheldraht beißt und glücklich im Dunkel der Nacht verschwindet. Aus der Lubjanka entkommt keiner. Keiner. Es tut mir so leid um Kalinin. Hoffentlich hat er nicht versucht, durchzuhalten.«
    Er nahm sich eine Zigarette, gab auch ihr eine.
    »So ist das nun also, Stalin lebt weiter. Die Jagd beginnt. Ich bin wirklich blind und blöd gewesen. Ich hätte es wissen müssen.«
    »Aber warum du?« fragte Judith. »Was wollen sie denn von dir?«
    »Ich gehöre zu den so genannten Liberalen. Ich glaube an Koexistenz. Ich habe daran geglaubt, daß man die kapitalistische Welt in Frieden erobern kann, geschickte Politik und der normale Verlauf der Geschichte würden genügen. Das war meine Meinung. Ich wollte keinen Krieg. Ich glaube nicht an die alte marxistische Theorie, daß eine Weltrevolution erst alles in Trümmer schlagen muß, um auf diesen Trümmern ein Paradies zu errichten. Du siehst ja selbst, wie korrupt ich geworden bin, ich trinke sogar schottischen Whisky. Hast du nicht selbst gesagt, am Anfang unserer Bekanntschaft, dies sei der Beweis für den Verlust meiner marxistischen Unschuld?«
    »Du hast sie verloren«, sagte Judith. »Du denkst heute anders. Du hast es mir selbst erzählt, damals, in jener Nacht. Weißt du noch? Du hast den Glauben verloren, sagtest du damals. Und wichtig sei es nur noch, zu leben. Zu überleben. Du mußt das zu deutlich gezeigt haben bei deinen Vorgesetzten. Oh, Feodor, warum konntest du nicht schweigen!«
    Er lachte. »Nicht meine Vorgesetzten. Meine Untergebenen sind mir gefährlich. Besonders einer.«
    Wieder wurden seine Augen schmal. »Trau niemals einem alt gewordenen Hund, auch mit einem Zahn kann er noch beißen. Das ist ein gutes russisches Sprichwort. Alle russischen Sprichwörter sind gut.«
    »Hör auf, von albernen Sprichwörtern zu reden«, rief Judith heftig. »Kannst du nicht einmal etwas ernst nehmen? Wenn du jetzt nicht ernst bist, schreie ich. Du bist in schrecklicher Gefahr, man will dich einsperren – mein Gott, was geschieht, wenn du nicht nach Hause fährst? Sie werden dich mit Gewalt in ein Flugzeug schleppen, nicht wahr? So etwas tun sie doch, nicht wahr?«
    »Nicht, ehe sie damit beauftragt werden«, sagte er. »Aber das würde wohl nicht lange auf sich warten lassen. Sobald sie merken, daß ich nicht kommen will, weil ich einen Verdacht habe, was mich erwartet.
    Weißt du, was du für mich getan hast? Du hast mir eine Chance gegeben, zu überleben. Zunächst kann ich mal den Flug für morgen streichen lassen und für später buchen. Das gibt mir Zeit. Ich kann sagen, daß ich es deinetwegen tue. Daß ich dich jetzt soweit habe, für uns zu arbeiten. Und du hast eine wichtige Sache für mich. Du wirst in den nächsten Tagen Nielsons Safe sprengen und mir seine gesamte Korrespondenz ausliefern.«
    »Ich verstehe nicht, wie du über das alles lachen kannst.«
    Sie war so verängstigt und so besorgt um ihn, daß sie jetzt ehrlich wütend auf ihn war. »Es ist besser, als zu weinen«, sagte er. »Ich muß denken. Und darum darf ich mich nicht hineinsteigern. Bist du nicht hungrig? Wir werden etwas essen und trinken. Mein Glas ist leer.«
    »Ich könnte keinen Bissen herunterkriegen. Und du sollst nicht trinken, sondern einen klaren Kopf behalten. Alkohol kannst du im Moment nicht brauchen.«
    »Dushinka«, sagte er, und seine Stimme war voll Zärtlichkeit, »mach nicht so ein verzweifeltes Gesicht. Du kennst doch

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