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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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meine Ansicht. Das Wichtigste ist zu überleben. Sie werden mich nicht kriegen. Ich verspreche es dir.«
    »Aber was willst du gegen sie ausrichten? Was wirst du sagen?«
    »Das kommt darauf an. Das kommt ganz darauf an, was ich tun werde. Und das eben muß ich überlegen. In Ruhe überlegen.«
    Judith versuchte wirklich zu essen, aber es war ihr unmöglich. Sie trank Wein und rauchte, sie sprach kein Wort, unterbrach das Schweigen nicht. Es war alles so schwer zu begreifen. Wenn die Sache mit der Scheidung ein Trick war, wie er gesagt hatte, dann – dann gehörte auch seine eigene Frau zu seinen Feinden. Und von einem alten Freund hatte er auch gesprochen. Was waren das für Menschen! Waren Menschen überall so? Oder nur dort in diesem so unverständlichen Land.
    Und während sie da saß und ihn beobachtete, erkannte sie, daß er seine wahren Gefühle nur hinter diesen schlechten Scherzen verbarg. Das war kein Humor, das war bitterer Zynismus.
    Wie wenig kannte sie ihn doch, was wußte sie von ihm? Sie kannte den charmanten, amüsanten Mann, der ihr den Hof machte. Er hatte noch ein anderes Gesicht. Flüchtig hatte sie es gesehen, an jenem Abend, als Memenov an ihrem Tisch saß. – Und was empfand er nun? Wenn er Angst hatte, so verbarg er es gut. Daß er ärgerlich war, hatte er deutlich gezeigt.
    Ärgerlich! Was für ein lächerliches Wort in diesem Zusammenhang. Dushinka! So hatte er sie wieder genannt. Liebling.
    O Gott, dachte sie, wohin bin ich da nur geraten, was geschieht mit mir? Er bedeutet mir doch nichts, ein Ferienflirt, gerade recht, um Richard zu vergessen – Richard? Wer war das?
    Im Moment stockte ihr der Atem. Sie hatte Richard Paterson so total vergessen, als hätte es ihn nie gegeben. Seit Wochen hatte sie nicht an ihn gedacht. Sie hatte nur an diesen Mann gedacht, der jetzt neben ihr saß. Sie hatte von einer Verabredung zur anderen gelebt. Das letzte Gespräch, als er von der Scheidung erzählte, von seiner beabsichtigten Reise, von der notwendigen Versöhnung mit seiner Frau – was hatte sie denn da empfunden?
    Es war lächerlich, sich etwas vorzumachen. Vorhin, als sie ihm alles erzählt hatte und er seine faulen Witze machte, hätte sie ihm ins Gesicht schlagen können. War es wirklich so ernst? Dieser Fremde, von dem sie nichts wußte, der in ihr Leben gekommen war wie ein Wesen vom Mars, bedeutete er ihr so viel?
    Er rückte seinen Stuhl näher zu ihrem, ihre Knie berührten sich.
    »Kann ich heute abend mit zu dir kommen? In deine Wohnung?«
    »Nancy ist da«, sagte Judith.
    Bisher hatte sie Nancy immer als Ausrede benützt, um ihn von ihrer Wohnung fernzuhalten. Heute hätte sie gewünscht, es gäbe keine Nancy. Aber sie konnte es nicht riskieren, ihn mitzunehmen, Nancy war nicht so leicht zu täuschen. Nicht einen Moment dachte Judith daran, daß er aus dem gleichen Grund mitkommen wollte wie sonst. Denn jetzt war er wirklich ernst geworden. Selbst im schummrigen Licht der Trattoria war sein Gesicht grau.
    »Ich muß darüber nachdenken«, sagte er. »Ich kann das nicht so schnell entscheiden.«
    »Ich werde anrufen«, sagte Judith. »Manchmal geht sie spät noch aus und bleibt über Nacht weg.«
    Er sah ihr nach, wie sie durch das Lokal ging. Auch andere Männer sahen ihr nach. Sie war eine attraktive Frau. Und manchmal konnte sie schön sein. Wie damals, als er sie das erstemal gesehen hatte, in der Nacht am Swimmingpool – sie stieg aus dem Wasser, stand im Mondlicht und trocknete ihren nassen Körper. So würde er sie immer vor sich sehen.
    Er zündete sich eine neue Zigarette an. Und begann von vorn.
    Seine Frau hatte die Scheidung beantragt. War das nur Vorsicht, oder war sie daran beteiligt, die Falle für ihn aufzustellen? Bei Tomarov hatte er keinen Zweifel. Das war so ein Typ wie Golitsyn, einer, der nicht weiterdenken konnte, für den das, was ihm einmal eingehämmert worden war, bis ans Ende seines Lebens bestimmend blieb. Einer, der gehorchte.
    Aber Elena – er hatte sie geliebt, hatte sie im Arm gehalten, er hatte sich so sehr Kinder von ihr gewünscht. Was war diese Liebe für sie gewesen? Und selbst, wenn es keine Liebe mehr war, hatte sie kein menschliches Gefühl, konnte sie sich wirklich an dem Komplott beteiligen, ihn erbarmungslos an seine Feinde ausliefern? Würde sie unbewegt eines Tages im Gerichtssaal sitzen und zuhören, wie man sein Todesurteil sprach? –
    Nein. Er durfte ihr nicht unrecht tun. Sie war nicht falsch und hinterhältig, auch nicht

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