Weißer Mond von Barbados
Barbados-Zeit?«
»Barbados-Zeit«, sagte er. »So – jetzt sind wir draußen und suchen uns eine richtig hübsche kleine Bar, und du bekommst einen Drink. Wir reden über alles mögliche, vor allem über das bevorstehende Wochenende. Und du könntest wenigstens so tun, als seist du verliebt in mich. Das würde sich gut machen.«
»Ich werd's versuchen.«
»Danke«, sagte er ernst. »Ich könnte mir vorstellen, daß du das sehr gut kannst.«
Rachel Paterson weinte. Sie weinte lieb und manierlich, heulte nicht auf so unbeherrschte Art, wie es manchmal junge Frauen taten und wie es Margret Stephenson im Lauf ihres Lebens als Diplomatenfrau oft genug erlebt hatte. Da gab es welche, die schnieften und schluchzten vor lauter Heimweh, und andere jammerten nach der Mami, und am lautesten heulten die, die sich auf diplomatischem Parkett blamiert hatten.
Margret hörte sich das an, oft recht amüsiert. Sie blieb dabei ungerührt und kalt. Aber heute war es weder amüsant noch blieb sie kalt, nachdem sie von Rachels Kummer gehört hatte.
Genau wie Fergus war Margret zu Haltung und Selbstdisziplin erzogen. Sie zeigte nicht, was sie empfand, sie saß neben Rachel auf dem Empire-Sofa, tätschelte den Arm der jungen Frau, aber in ihrem Kopf rasten die Gedanken.
»Ich kann ihm einfach nicht mehr vertrauen«, sagte Rachel. »Seit diese Frau angerufen hat, ist alles anders geworden.«
Sie trocknete die Augen und putzte sich dezent die kleine Nase. »Es war nie leicht, mit ihm auszukommen. Aber es gab nie etwas mit anderen Frauen. Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Aber da habe ich mich sehr in ihm getäuscht.«
»Übertreiben Sie nicht ein wenig? Vielleicht war diese Frau in New York wirklich nur eine flüchtige Bekanntschaft, und nach dem, was Sie eben erzählt haben, hatte sie ja wirklich einen triftigen Grund, ihn anzurufen, nicht? Sie würde sich ja kaum eine Geschichte von einem russischen Überläufer ausdenken – mit dem sie sich offenbar gut versteht –, wenn es ihr darauf ankäme, Ihren Mann zu becircen. Das wäre wirklich ein unsinniger Umweg.«
Aber dies alles sagte Margret eigentlich mehr zu sich selbst als zu Rachel. Den ersten Teil von Rachels Klage hatte sie sich mit der gebührenden Anteilnahme, jedoch ohne größeres Interesse angehört – es bestätigte nur, was sie sowieso schon wußte: Richard Paterson war selbstsüchtig, nur auf seine Karriere bedacht, seine Liebe oder Zuneigung, oder wie immer man das nennen wollte, was er für seine Frau empfand, waren nie sehr groß gewesen und hatten stetig nachgelassen. Dann kam Rachel zu dem morgendlichen Anruf aus New York. Da Margret von dem Vorhandensein einer New Yorker Geliebten wußte, war das auch keine besondere Überraschung. Doch dann kam der Schock.
Während Rachel weinte und sich weiter durch ihre Erzählung stammelte, begann Margrets Kopf fieberhaft zu arbeiten. Sie war intelligent genug und gut genug geschult in politischen und diplomatischen Spielregeln, daß sie sofort begriff, was für eine Gefahr da im Anzug war. Ihr Kinn wurde hart, ihre Augen schlossen sich halb.
Das konnte diese Frau sich nicht ausgedacht haben. Irgend jemand von der Russischen Botschaft wollte überlaufen. Und Überläufer kamen meist mit Geheimnissen als Gastgeschenk.
»Ich gebe ja zu, er blieb nicht lange in New York«, so weit war Rachel nun in ihrem Bericht, »er kam am Abend zurück und er ging wirklich sofort zum Botschafter. Er ist also nicht bei ihr geblieben …«
»Natürlich nicht. Und wenn er wirklich beim Botschafter war, beweist es doch, daß die Geschichte wahr ist. Hat er gesagt, der Russe sei ein wichtiger Mann?«
Rachel blickte harmlos. Der Russe war ihr ganz egal.
»Das weiß ich nicht. Ja – ich glaube, er hat so was gesagt. Ich habe nicht weiter zugehört. Ich war total erschüttert, daß er da ein Mädchen hat. Er hat zwar geschworen, daß er niemals mit ihr geschlafen hat – denken Sie, daß er die Wahrheit gesagt hat?«
»Sicher«, sagte Margret.
Wenn Paterson zum Botschafter gegangen war, dann stimmte die Geschichte. Und der Russe mußte ein wichtiger Mann sein, sonst hätte Paterson bestimmt nicht den Botschafter damit behelligt. Und wenn der Russe ein wichtiger Mann war, dann wurde die Gefahr immer größer.
»Ich glaube nicht, daß er Sie betrogen hat«, sagte Margret abwesend. »Und so schlimm ist es ja wirklich nicht, wenn er mal ein Mädchen zum Essen einlädt.«
Wenn einer herüberkam, mußte er dafür bezahlen. Er
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