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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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lustig fand, über die aber sonst niemand lachte. Sie wirkte wie eine Frau in einem schlecht synchronisierten Film, entweder zu schnell oder zu langsam. Sie verpatzte die Pointen.
    Im September, in Wind und Asche, kam ich in die zwölfte Klasse der Fairfax High School, und Ron fuhr wieder auf Dienstreisen. Nun konnte Claire in dem Haus ohne Ehemann gar nicht genug Arbeit finden. Sie scheuerte die Böden, putzte die Fenster, stellte die Möbel um. Eines Tages gab sie all ihre Kleider in eine wohltätige Sammlung. Ohne Beruhigungsmittel war sie die ganze Nacht über auf, ordnete Zeitungsausschnitte ein, staubte Bücher ab. Sie hatte Kopfschmerzen und glaubte, dass jemand unser Telefon abhörte. Sie schwor, dass sie ein Klicken hören konnte, ehe sie auflegte. Ich solle es mir auch mal anhören.
    »Hörst du es?«, fragte sie mit unruhig glitzernden dunklen Augen.
    »Kann sein«, sagte ich, weil ich sie in ihrer Nacht nicht ganz allein lassen wollte. »Ich kann es nicht genau sagen.«
    Im Oktober wich die Hitze dem blauen Nachmittagsdunst des echten Herbstes, die Blätter der Platanen, die wie Hände geformt waren, hoben sich orange vor den staubig-weißen Stämmen ab, und auf den Hügeln lag ein rotgoldenes Leuchten. Eines Tages kam ich aus der Schule nach Hause und fand Claire vor dem runden Kommodenspiegel in ihrem Schlafzimmer. Sie starrte ihr Spiegelbild an, die silberne Haarbürste lag vergessen in ihrer Hand. »Mein Gesicht ist schief, ist dir das schon mal aufgefallen? Die Nase sitzt nicht in der Mitte.« Sie drehte den Kopf zur einen Seite und betrachtete sich im Profil, blähte die Wangen auf und schob die in ihrer Einbildung nicht in der Mitte sitzende Nase nach rechts, quetschte die Nasenspitze nach unten. »Ich hasse Himmelfahrtsnasen. Deine Mutter hat eine Nase wie die Garbo, weißt du das? Wenn ich mir die Nase richten lassen würde, dann würde ich so eine haben wollen wie sie.«
    Sie sprach gar nicht von Nasen. Claire war es bloß Leid, ihr Gesicht im Spiegel zu sehen, es war ihr zum Sinnbild für ihr Versagen geworden. Ihr fehlte wirklich etwas, aber nicht das, was sie dachte. Sie machte sich Sorgen, dass ihr Haaransatz zurückging, dass sie eines Tages so aussehen würde wie Edgar Allan Poe. Ihr sorgenvoller Blick vergrößerte die unvollständigen Oberkanten ihrer Ohren, ließ ihre kleinen Lippen noch mehr schrumpfen.
    »Kleine Zähne bedeuten Unglück«, sagte sie und zeigte mir ihre Zähne im Spiegel. »Ein kurzes Leben.« Ihre Zähne waren Gerstenkörner, glänzende Perlen. Doch ihre Augen waren immer tiefer in die Höhlen gesunken, ich konnte die Lider kaum mehr erkennen, und ihre Jochbögen ragten wieder scharf aus ihrem Gesicht hervor, ein unbarmherzig abgenagter Bronzekopf Rodins.
    Als der Dezember kam, wurde Claire wieder fröhlicher. Sie liebte die Weihnachtsfeiertage. Sie las Zeitschriften mit Fotos von Weihnachten in England, in Paris, in Taos, New Mexico. Am liebsten hätte sie alles nachgemacht. »Lass uns ein perfektes Weihnachtsfest feiern«, sagte sie.
    Wir verzierten einen Kranz mit Eukalyptus und Granatäpfeln, die wir in geschmolzenes Wachs getunkt hatten. Sie kaufte Päckchen mit Weihnachtskarten, weiche handgemachte Pappkarten mit Spitze und Goldsternen. Im Klassik-Sender des Radios lief »Schwanensee«. Wir nähten Girlanden aus winzigen Chilischoten, steckten Gewürznelken in Tangerinen und banden sie mit cognacfarbenen Samtbändern an. Sie kaufte mir ein rotes Samtkleid mit weißem Spitzenkragen und Spitzenmanschetten bei Jessica McClintock in Beverly Hills. Perfekt, sagte sie.
    Es machte mir Angst, wenn sie perfekt sagte. Perfekt war immer zu viel verlangt.
    Ron kam bis nach Neujahr nach Hause. Sie wartete auf ihn, sodass wir alle zusammen den Weihnachtsbaum kaufen konnten wie eine richtige Familie. Im Auto beschrieb sie, was für einen Baum sie genau haben wollte. Symmetrisch, mit weichen Nadeln, wenigstens eins achtzig groß. Der Baumverkäufer versuchte zu helfen, gab jedoch auf, nachdem er mehrere Dutzend Bäume herausgezogen und entwirrt hatte.
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Ron, während er Claire bei ihrer verzweifelten Suche zusah. »Jesus ist in Bethlehem aufgewachsen. Mitten in der Wüste. Wir sollten einen Olivenbaum kaufen, eine Dattelpalme. Eine verdammte Artischocke.«
    Ich ging an der Reihe mit den eingesprühten Bäumen entlang, manche weiß wie gestärkter chemischer Schneefall, andere gold, pink, rot, ja sogar schwarz. Der schwarze Baum, ungefähr einen

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