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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Kimmie?«
    »Ach, daher weht der Wind.« Er wandte sich ab, begann Dinge aufzuräumen, dreckige Kleenex-Tücher, leere Gläser, ein Geschirrtuch, eine Schale. Ich half ihm nicht. Ich saß bei Claire auf der Couch und wünschte mir, er würde uns endlich in Ruhe lassen. »Herrgott noch mal, ich habe langsam genug von deiner Paranoia. Ich sollte wirklich eine Affäre anfangen, um dir wenigstens einen Grund zu geben! Dann hätte ich neben dem ganzen Scheißärger wenigstens auch das Vergnügen!«
    Claire beobachtete ihn aus geschwollenen, rot verweinten Lidern. »Sie ist dir wohl nicht peinlich, was? Es ist dir nicht peinlich, dich mit ihr rumzutreiben!«
    Er bückte sich, um ihr leeres Glas aufzusammeln. »Blah, blah, blah.«
    Ehe ich mich versah, schoss sie vom Sofa empor und gab ihm eine Ohrfeige. Ich war froh darüber; das hätte sie schon seit Monaten tun sollen. Doch statt ihm das zu sagen, sank sie wieder auf die Couch zurück, ließ die Hände schlaff auf die Knie sinken und verfiel in krampfartiges Schluchzen. Es hatte sie all ihre Kraft gekostet, ihm eine runterzuhauen. Ich empfand Mitleid mit ihr und war zugleich angewidert.
    »Lass uns einen Moment allein, ja«, forderte Ron mich auf.
    Ich schaute Claire an, weil ich wissen wollte, ob sie mich vielleicht als Zeugin dabeihaben wollte. Doch sie schluchzte nur, das Gesicht unbedeckt.
    »Bitte!«, sagte er entschiedener.
    Ich ging in mein Zimmer, schloss die Tür und öffnete sie dann wieder einen Spalt, als sie weitersprachen.
    »Du hast es versprochen«, sagte er. »Wenn wir ein Kind hätten.«
    »Ich kann nichts dafür«, sagte sie.
    »Das habe ich nicht anders erwartet«, sagte er. »Dann sollte sie wirklich besser gehen.«
    Ich spitzte die Ohren, um ihre Stimme zu hören, doch ich konnte keine Antwort verstehen. Warum sagte sie denn nichts? Ich hätte sie gern gesehen, aber sein Rücken versperrte mir den Blick, während er sich über sie beugte. Ich versuchte, mir ihr Gesicht vorzustellen. Sie war betrunken, ihre Haut war fleckig und das Gesicht aufgedunsen. Was sprach aus ihren Augen? Hass? Flehentliches Bitten? Verwirrung? Ich wartete darauf, dass sie mich verteidigte, irgendetwas sagte, doch sie antwortete nicht.
    »Es funktioniert einfach nicht«, fuhr er fort.
    Es wunderte mich gar nicht so sehr, dass er darüber sprach, mich zurückzuschicken wie einen Hund aus dem Tierheim, wenn er den Garten aufbuddelt und die Teppiche ruiniert. Viel schlimmer war der vernünftige Tonfall, in dem er es sagte, fürsorglich, aber distanziert wie ein Arzt. Es ist das einzig Vernünftige, sagte die Stimme. Es funktioniert einfach nicht.
    »Vielleicht bist du derjenige, der nicht funktioniert«, sagte sie und griff nach der Sherryflasche. Er schlug ihr die Flasche aus der Hand. Sie fiel zu Boden; ich hörte sie aufschlagen und über das Kiefernparkett rollen.
    »Ich kann dein Theater nicht mehr ertragen«, sagte er. »Wen willst du mir jetzt vorspielen, die verletzte Übermutter? Himmel noch mal, sie passt auf dich auf! So war es nicht gedacht.«
    Er log. Genau so war es gedacht gewesen. Er hatte mich geholt, damit ich mich um sie kümmerte, ein Auge auf sie hatte, ihr Gesellschaft leistete, während er weg war. Warum sagte sie ihm das nicht? Sie wusste nicht, wie sie ihm die Stirn bieten sollte.
    »Du kannst sie nicht wegschicken«, war alles, was sie sagte. »Wo soll sie hin?«
    Es war die falsche Frage, Claire.
    »Sie wird eine Stelle finden, da bin ich sicher«, sagte Ron. »Aber schau dich doch an. Du zerbrichst. Wieder einmal. Du hattest etwas versprochen, doch jetzt sind wir wieder so weit. Und ich soll alles fallen lassen und dich wieder zusammenstückeln. Gut, aber ich warne dich: Wenn ich schon wieder die Scherben aufsammeln muss, wirst du auch etwas aufgeben!« Immer noch die Stimme der Vernunft. Er gab ihr die ganze Schuld.
    »Du nimmst mir alles weg«, schluchzte sie. »Du lässt mir nichts.«
    Er wandte sich von ihr ab, und nun konnte ich den Ekel auf seinem Gesicht sehen. »O Gott, du bist eine so miserable Schauspielerin«, sagte er. »Ich hatte es fast vergessen.«
    Als er aus meinem Blickfeld trat, konnte ich sie sehen; die Hände auf die Ohren gepresst, die Knie ans Kinn gezogen, schaukelte sie vor und zurück und sagte: »Musst du mir denn alles wegnehmen? Musst du alles haben?«
    »Vielleicht brauchst du ein bisschen Zeit«, sagte er. »Denk darüber nach.«
    Ich hörte seine Schritte und schloss schnell die Tür, damit er mich nicht beim Lauschen

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