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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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mir unglaublich komisch vor. Die Plastikpuppe, an der wir die Übungen vornahmen, sah aus wie ein Alien. Die jungen Paare kamen mir vor wie Kinder, die ein Spiel spielten, das Schwangerschaftsspiel. Diese Mädchen konnten doch nicht wirklich schwanger sein, sie hatten sich nur Kissen unter ihre Baby-Doll-Kleider geschoben. Die ganzen Babyutensilien gefielen mir; es machte mir sogar Spaß, die Puppe zu waschen und mit einer Mickymaus-Windel zu wickeln.
    Yvonne tat so, als sei sie meine Schwägerin und ihr Mann, mein Bruder, bei der Army. Patrick, der Name gefiel ihr. Ein Fernsehschauspieler. »Ich hab einen Brief von Patrick bekommen, hab ich dir’s schon erzählt?«, berichtete sie mir in der Pause, während wir alle süßen Saft aus kleinen Pappbechern tranken und Ingwerplätzchen aßen. »Mein Mann«, erzählte sie dem Pärchen, das neben uns stand. »Er wird bald versetzt, nach -«
    »Dar es Salaam«, sagte ich.
    »Ich vermisse ihn total, du nicht?«
    »Nicht besonders«, sagte ich. »Er ist so viel älter als ich.« Ich stellte mir einen großen blonden Mann vor, der mir Puppen von seinen verschiedenen Einsätzen mitbrachte. Heidi-Puppen, die Dope unter ihren Röcken versteckt hatten.
    »Er hat mir fünfhundert Dollar für die Babyausstattung geschickt«, sagte sie. »Ich musste ihm versprechen, dass ich nichts auf dem Flohmarkt kaufe. Er wollte alles funkelnagelneu. Ist ja eine ziemliche Geldverschwendung, aber wenn er’s so haben will …«
    Es war lustig. Als kleines Mädchen hatte ich nie die Gelegenheit gehabt, Spiele mit anderen kleinen Mädchen zu spielen, Mutter-Vater-Kind-Spiele.
    Sie zeigten ihr, wie sie das Baby an die Brust legen und die Brust dabei in einer Hand halten sollte. Sie ließ das Plastikkind nuckeln. Ich musste lachen.
    »Psst«, sagte Yvonne und schmuste mit dem Alien, strich ihm über den eingedellten Kopf. »So ein süßes kleines Baby. Hör nicht drauf, wenn das böse Mädchen lacht, mija. Du bist mein Baby, ja, meine Kleine.«
    Später lag Yvonne auf der orangefarbenen Matte, pustete und zählte, und ich schob ihr die Tennisbälle unter den Rücken, dann die gerollten Handtücher. Ich hielt die Uhr in der Hand und zählte ihre Wehen; ich atmete mit ihr zusammen, wir hechelten beide. Sie war nicht nervös. »Keine Sorge«, meinte sie und lächelte zu mir herauf, ihr Bauch wie eine riesige Südseeperle auf einem goldenen Ring. »Ich hab das schon mal mitgemacht.«
    Sie klärten uns über Periduralanästhesie und Schmerzmittel auf, doch keine hier wollte Medikamente nehmen. Sie wollten alle eine natürliche Geburt. Mir kam alles vor wie in Plastik gewickelt; so unwirklich wie Stewardessen, die im Flugzeug vorführen, wie man die Sicherheitsgurte anlegt und die Maschine im Falle einer Wasserlandung geordnet verlässt, während die Leute einen kurzen Blick auf die bedruckten Pappen in der Tasche des Vordersitzes werfen. Klar, denken sie, kein Problem. Ein schneller Blick auf den nächsten Notausgang, und sie sind bereit für gekühlte Bordgetränke, Erdnüsse und den Film.
    Rena saugte in ihrem schwarzen Makramee-Bikini die glühende Aprilsonne auf und trank dabei aus einem Wasserglas Wodka gemischt mit Fresca; »Russische Margarita« nannte sie das. Die Männer vom benachbarten Installateurbetrieb lümmelten am niedrigen Maschendrahtzaun herum und schnalzten ihr zu. Sie tat so, als ob sie es gar nicht merkte, trug aber ganz langsam Tropic-Tan-Lotion auf ihr Dekolleté auf, verrieb sie zu den Brüsten hinunter und cremte sich die Arme ein, während die Handwerker sich zwischen die Beine fassten und auf Spanisch Zweideutigkeiten herüberriefen. Die Sonnenliege aus Metall war schon halb unter ihr zusammengebrochen, das Geräusch des rostigen Rasensprengers, der die Wiese aus Fingergras und Löwenzahn wässerte, lullte uns ein.
    »Du wirst noch Hautkrebs bekommen«, warnte ich sie.
    Sie schob ihre Unterlippe vor. »Wir sind schon lang tot, kiddo!« Sie sagte gern diese amerikanischen Wörter, wohl wissend, wie sie aus ihrem Mund klangen. Sie hob ihre Russische Margarita und trank. »Na sdarowje.«
    Das hieß »Zum Wohl«, doch um ihre Gesundheit war sie wenig bekümmert. Sie zündete sich eine schwarze Zigarette an und ließ den Rauch in Arabesken aufsteigen.
    Ich saß auf einem alten Gartenstuhl im Schatten des großen Oleanders und zeichnete Rena, während sie in der sengenden Sonne schmorte. Sie besprühte sich aus einer kleinen, mit Eiswasser gefüllten Flasche, und die Männer, die sie

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