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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Gesicht. Und dann war ich diejenige, die zitterte; ich und meine Margerite.
    Er drehte sich um und umarmte mich. Es war genauso, wie ich immer schon festgehalten werden wollte, mein ganzes Leben lang – von starken Armen und einer breiten, in raue Wolle gehüllten Brust, die nach Tabak und Marihuana roch. Ich warf den Kopf zurück, und dann folgte mein erster Kuss. Ich öffnete den Mund für ihn, damit er mich schmecken konnte; meine Lippen, meine Zunge. Ich hörte nicht auf zu zittern, außer er hielt mich ganz fest.
    Dann schob er mich vorsichtig von sich weg. »Hör mal, vielleicht sollten wir zurückfahren. Es ist nicht richtig.«
    Doch mir war inzwischen egal, ob es richtig war oder nicht. Ich hatte ein Kondom aus Carolees Schublade in der Tasche und war endlich mit dem Mann, den ich immer schon gewollt hatte, an einem stillen Ort allein.
    Ich zog mein kariertes Hemd aus und warf es auf den Boden. Ich zog mein T-Shirt aus. Ich zog den BH aus und zeigte mich ihm, klein und sehr blass, nicht Starr, aber ich, alles, was ich hatte. Ich schnürte meine Trekkingstiefel auf und streifte sie ab. Ich knöpfte meine Jeans auf und ließ sie zu Boden fallen.
    Ray, den Rücken an das verschmierte Fenster gelehnt, sah plötzlich sehr traurig aus, so als sei jemand gestorben. »Ich wollte nie, dass es so weit kommt«, sagte er.
    »Du bist ein Lügner, Ray«, entgegnete ich.
    Dann kniete er vor mir, umschlang meine Hüften, küsste mir den Bauch, die Oberschenkel; seine Hände pressten meinen nackten Hintern, die Finger glitten in die seidige Nässe zwischen meinen Beinen, seine Zunge schmeckte mich dort. Mein Geruch auf seinem Mund, als ich zu ihm auf die Knie sank, die Hände über seinen Körper gleiten ließ, ihm die Kleider öffnete, nach ihm tastete, hart, größer als ich es erwartet hatte. Und ich dachte mir, es gibt keinen Gott; es gibt nur das, was man will.

8

    Während der Schultage und an den Ray-losen Nachmittagen unten am Wash, beim Abendessen mit Starr und den Kindern oder wenn wir abends vor dem Fernseher saßen, waren all meine Gedanken von Ray besessen. Wie weich seine Haut war, weicher, als man es bei einem Mann für möglich halten würde, die Stärke seiner Arme, die Sehnen, die sich über seine Unterarme zogen wie Baumwurzeln, und die traurige Art, in der er mich ansah, wenn ich ausgezogen war.
    Ich zeichnete ihn nackt, wie er aus dem Fenster starrte, nachdem wir uns geliebt hatten, oder auf der Unterlage aus Teppichresten lag, die er in eine Ecke des Schlafzimmers im Neubau gezerrt hatte. An unseren gemeinsamen Nachmittagen lagen wir auf diesem Polster, die Beine umeinander geschlungen, glattes Bein neben behaartem Bein; seine Finger bedeckten sacht meine Brust, spielten mit meiner Brustwarze und ließen sie emporstehen wie einen Radiergummi. Ich versteckte die Zeichnungen in dem Karton mit den Tagebüchern meiner Mutter, eine Stelle, an der Starr sie niemals suchen würde. Mir war klar, dass ich sie besser wegwerfen sollte, doch ich brachte es nicht über mich.
    »Warum bist du mit Starr zusammen?«, fragte ich ihn eines Nachmittags, während ich die weiße Narbe unterhalb seiner Rippen untersuchte, wo eine Vietkong-Kugel ihre Spuren hinterlassen hatte.
    Er strich mir mit den Fingerspitzen über die Rippen, bis ich Gänsehaut bekam. »Sie ist die einzige Frau, bei der ich je ich selbst sein konnte«, sagte er.
    »Bei mir könntest du das auch«, sagte ich und strich mit der flachen Seite meiner Fingernägel über seine Hoden, sodass er zusammenzuckte. »Sie ist gut im Bett, ist es das?«
    »Das ist zu persönlich«, sagte er. Er bedeckte meine Hand mit seiner und drückte sie an seinen Unterleib. Ich fühlte, wie er wieder steif wurde. »Ich diskutiere nicht mit einer Frau über die andere. Das gehört sich einfach nicht.«
    Er fuhr mir mit dem Finger zwischen den Beinen entlang, in die seidige Feuchtigkeit, dann steckte er den Finger in den Mund. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass es so sein würde, wenn man begehrt wurde. Alles war möglich. Er zog mich auf seinen Körper hinab, und ich ritt ihn wie ein Pferd in der Brandung, die Stirn gegen seine Brust gepresst, ritt durch eine Funkengischt. Wäre meine Mutter nicht im Gefängnis, würde er dann einer ihrer Liebhaber sein, der mich mit seinen Sternen füllte? Und würde meine Mutter mich auf die gleiche Weise beobachten, wie Starr es tat, und dabei merken, dass ich nicht länger so durchsichtig war wie eine Klarsichthülle?
    Nein. Wäre sie

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