Weisser Oleander
Duft erstaunte mich; es roch ganz anders als Ma Griffe, nach kleinen Blumen, die in dichten englischen Laubwäldern wuchsen, nach einem Mädchen, das Schürzen und lange Spitzenunterhosen trug und Kränze aus wilden Gänseblümchen flocht, ein Mädchen wie aus einem viktorianischen Märchen.
Als Olivia grinste, nahm mich der Charme ihrer leicht vorstehenden Zähne mehr für sie ein, als es ihre ganze Vollkommenheit gekonnt hätte. »Na, bist das nicht genau du?«
Ich nahm ihr das Parfum aus der Hand und sprühte es über meinen Kopf, sodass der Nebel wie ein feiner Regen auf mich niederging. Wasche mich rein von meinen Sünden. Mach mich zu einem Mädchen, das nie die Feuerstürme des Septembers sah, das nie angeschossen wurde, das es nie einem Jungen hinter den Parktoiletten besorgt hat. Ein Mädchen wie aus einem Kinderlied, ein Mädchen mit einem blauen Kleid, das im Garten eines Cottage ein Lämmchen auf dem Schoß hält. Das war ich, trotz allem. Da ich nicht wusste, ob ich lachen oder weinen sollte, goss ich mir noch etwas Cognac ein.
»Das reicht jetzt«, sagte sie und nahm die Flasche weg.
Meine Narben pulsierten vom Alkohol. Ich wusste, dass ich von Olivia nicht erwarten konnte, mich zu lieben. Sie hatte getan, was sie konnte, hatte mir ein Stück Kindheit in der Flasche gekauft, vom Hoflieferanten der Queen. »Danke, Olivia, ehrlich«, sagte ich.
»Das klingt schon besser«, sagte sie.
Am nächsten Morgen erwachte ich unbequem zusammengerollt auf Olivias Couch. Jemand hatte mir die Schuhe ausgezogen, die Flasche mit dem rosa Parfum hielt ich immer noch fest umklammert. Entweder war es sehr heiß, oder ich hatte Fieber, auf jeden Fall hatte ich fürchterliche Kopfschmerzen, die mir gegen die Innenseite des Schädels pochten wie eine afrikanische Trommel. Ich schlüpfte in meine Schuhe, ohne die Schnürsenkel zuzubinden, und machte mich auf die Suche nach Olivia.
Sie lag im Tiefschlaf auf der Bettüberdecke in ihrem Paisley-Himmelbett, immer noch in ihren Morgenmantel gekleidet; die Beine hatte sie rechtwinklig abgeknickt, so als liefe sie im Traum. Die Uhr neben ihrem Kopfkissen zeigte elf. Ich rannte durch den Flur und machte, dass ich zur Tür hinauskam.
Ich hatte gerade den halben Weg durch Olivias Vorgarten zurückgelegt, als Marvel mit Caitlins Barbie-Auto in der Hand aus dem türkisen Haus trat. Sie sah zu mir herüber. Ihr Mund klappte sperrangelweit auf. Alle Farbe wich ihr aus dem Gesicht; nur ihr Haar leuchtete noch in »Herbstflamme«.
Wenn ich nicht einen derartigen Kater gehabt hätte, wäre mir vielleicht noch eine rettende Idee gekommen. Doch wir starrten einander an, und mir war klar, dass ich ertappt worden war; ich blieb wie angewurzelt stehen, knietief zwischen Rosmarin und Steinkraut, wie ein Hirsch im Angesicht des Jägers. Dann gab es nur noch Geschrei und Theater. Sie kam durch das Tor gestürmt, als ich gerade ein paar schwankende Schritte rückwärts auf Olivias Haus zu machen wollte. Sie packte mich an den Haaren und zerrte mich mit. Ihr Kopf zuckte, als sie meinen Atem roch.
»Hast du mit der Hure getrunken? Hast du auch mit ihr geschlafen?« Ohne Rücksicht auf meine Narben ohrfeigte sie mich; ihre Stimme hallte in meinem empfindlichen Schädel wider wie ein Schuss in einer Höhle. Während sie mich zum türkisen Haus schleifte, schlug sie mich auf den Kopf, die Arme, überallhin, wo sie mich treffen konnte. »Was hast du da drüben getrieben? Hast du da die Nacht verbracht? Hast du? Hast du?« Sie schlug mich kräftig mitten auf das Ohr, und das Penhaligon-Parfum fiel mir aus der Hand und knallte auf den Asphalt.
Ich riss mich von ihr los und kniete mich hin. Die Flasche war in ihrem silbernen Käfig zerbrochen, das Parfum rann über den Bürgersteig. Ich tauchte die Hände in die Pfütze. Meine Kindheit, mein englischer Garten, dieses kleine Stück von etwas Echtem.
Marvel packte mich am Arm, zerrte mich hoch und kreischte: »Du undankbares Ding!«
Ich umklammerte ihre Arme und schrie ihr ins Gesicht: »Ich hasse dich so, ich könnte dich umbringen!«
»Wie kannst du es wagen, die Hand gegen mich zu heben!« Sie war viel stärker, als ich gedacht hatte. Sie durchbrach meinen Klammergriff innerhalb einer Sekunde und schlug mir so fest ins Gesicht, dass ich Sternchen sah. Sie packte mich unter den Achselhöhlen und schob mich zum Haus zurück, wobei sie mir alle paar Schritte gegen die Beine trat. »Geh ins Haus, geh endlich rein!«
Sie öffnete die Tür und
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