Weisser Oleander
sie schlagen. Ich wollte, dass sie nicht erfuhr, wie sehr ich sie brauchte; ich wollte, dass sie mir versprach, nie wieder fortzugehen.
»Es tut mir so Leid.«
»Das tut es nicht wirklich«, sagte ich. »Spielen Sie mir nichts vor.«
»Astrid! Was habe ich denn getan? Ich bin bloß verreist!« Sie wölbte ihre rosigen Handflächen wie ein Trinkgefäß. Erwartete sie etwa von mir, dass ich sie füllte? Womit? Wasser? Blut? Sie glättete ihr Satinnachthemd. »Das ist doch kein Verbrechen. Es tut mir Leid, dass ich nicht hier war, okay? Aber es ist doch nicht so, als ob ich etwas verbrochen hätte!«
Ich setzte mich auf das Sofa, legte die Füße auf den Couchtisch, zwischen die Antiquitäten. Ich fühlte mich wie ein verzogenes Kind, und das gefiel mir. Sie rückte auf dem Sofa näher; ich konnte ihr Parfum riechen, grün und vertraut. »Astrid, schau mich an. Es tut mir Leid. Warum glaubst du mir nicht?«
»Ich falle nicht auf Magie herein! Ich bin keiner von Ihren Freiern! Haben Sie etwas zu trinken da? Ich möchte mich so richtig betrinken«, sagte ich.
»Ich wollte gerade Kaffee und Cognac trinken. Du kannst auch einen kleinen bekommen.«
Sie ließ mich mit Billie Holidays Gesang zurück, während sie in der Küche herumklapperte. Ich bot nicht an, ihr zu helfen. Kurz darauf kehrte sie mit einem Tablett zurück, auf dem Gläser, eine Cognacflasche und Kaffee standen. Vollkommen in jeder Hinsicht, sogar die Art und Weise, in der sie das Tablett auf den Tisch stellte, dabei den Rücken gerade hielt und nur die Knie beugte.
»Sieh mal«, sagte sie, während sie sich neben mich setzte. »Nächstes Mal werde ich dir eine Postkarte schicken, wie klingt das? Wär schön, wenn du auch hier wärst, liebe Grüße … Cognac.« Sie goss Cognac in die Schwenker.
Ich trank mein Glas in einem Zug aus und versuchte nicht mal, den Cognac zu schmecken. Wahrscheinlich war er fünfhundert Jahre alt, schon auf der Niña, der Pinta oder der Santa María herübergekommen. Sie schaute in ihr Glas, schwenkte es, roch daran und nippte einen Schluck.
»Ich bin nicht gerade einer der aufmerksamsten Menschen«, sagte Olivia. »Ich gehöre nicht zu den Leuten, die Geburtstagskarten schicken. Doch ich werde mich bemühen, Astrid. Mehr kann ich nicht tun.« Sie streckte die Hand aus, um mein Gesicht zu berühren, brachte es dann aber nicht über sich. Stattdessen fiel die Hand auf meine Schulter herab. Ich ignorierte sie.
»Oh, um Himmels willen«, sagte Olivia und nahm die Hand wieder weg. »Nun schmoll doch nicht so. Du benimmst dich genau wie ein Mann.«
Ich sah an ihr vorbei, und mein Blick fiel auf unser Spiegelbild über dem Kamin: das schöne Zimmer, Olivia in ihrem silbrigen Nachthemd wie Quecksilber im Mondlicht. Dann war da noch dieses scheußliche Mädchen. Es sah aus, als sei es aus einem anderen Film herübergekommen, das Gesicht mit Striemen überzogen, das Sweatshirt aus dem 99-Cent-Laden, das Haar ungekämmt.
»Ich habe dir etwas aus England mitgebracht«, sagte Olivia. »Willst du es sehen?«
Ich sah sie immer noch nicht an. Was dachte sie sich eigentlich? Dass Geschenke alles wieder in Ordnung bringen würden? Doch ich musste einfach ihrem schönen, langsamen Gang hinterherblicken, als sie im Inneren des Hauses verschwand, den silbergrauen Satin hinter sich her ziehend wie ein Schoßhündchen. Ich goss mir Cognac nach, schwenkte das Glas und beobachtete, wie sich die Flüssigkeit in einzelne Spuren teilte, die sich auf dem bernsteinfarbenen Grund des Glases wieder trafen. Er roch nach Feuer und Frucht und brannte mir in der Kehle. Ich fühlte mich so, wie Billie Holiday klang, so, als hätte ich mich völlig ausgeheult und es sei immer noch nicht genug.
Sie kehrte mit einer kleinen weißen Schachtel zurück und ließ sie in meinen Schoß fallen.
»Ich will keine Geschenke«, sagte ich. »Ich hätte nur gern das Gefühl, dass sich irgendjemand um mich schert.«
»Also, du willst es nicht haben?«, neckte sie mich und tat so, als wolle sie es wieder wegnehmen.
Ich öffnete die Schachtel, auf der »Penhaligon« stand. Eingehüllt in feines Seidenpapier, lag ein altertümliches Parfumfläschchen aus Glas und Silber mit einem spitzenverzierten Verschluss, gefüllt mit einem leicht rosa getönten Parfum. Ich stellte den Flakon auf den Tisch. »Man dankt.«
»Nun sei doch nicht so! Hier, riech mal!« Sie nahm das Fläschchen und besprühte mich mit einem feinen Nebel aus dem spitzenbedeckten Sprühverschluss.
Der
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