Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Hinterräder des Wagens heulten auf und rauchten im Schlamm. Draußen hörte ich in der Dunkelheit einen Außenbordmotor, der sich mit lautem Röhren von der Anlegestelle entfernte, den Bayou hoch in Richtung St. Martinville.
Der Fahrer kurbelte sein Fenster runter und blickte mich verärgert an.
»Sag über Funk Bescheid«, sagte ich.
»Tut mir leid, Dave. Hab’ nicht gewußt, daß hier so ’n verdammter Graben ist.«
»Vergiß es. Und ruf auch einen Krankenwagen.«
»Bist du in Ordnung?«
»Ja. Aber Garrett wohl nicht.«
»Was war da drin los?« sagte der andere Deputy, während er vom Beifahrersitz kletterte.
Aber ich war bereits wieder auf dem Rückweg zum Haus. Der Regen war kalt auf meinem Kopf, und die .45er baumelte lose und schwer in meiner Manteltasche. Ich fand ihn am Fuß der Kellertreppe. Der grüne Drachen auf seinem rechten Unterarm war blutüberströmt. Den Rest wollte ich mir gar nicht erst ansehen.
Eine Stunde später standen der Gerichtsmediziner und ich auf der Vorderterrasse mit den Marmorsäulen und sahen den beiden Sanitätern zu, wie sie die Bahre in den Krankenwagen schoben und die Türen dahinter schlössen. Es regnete nicht mehr, und das Rotlicht des Krankenwagens warf unstete rote Lichtraster auf die Eichen. Ich konnte die Frösche draußen auf dem Bayou hören.
»Haben Sie so was schon mal gesehen?« fragte der Arzt. Er war ein dünner älterer Mann, der eine Brille mit Goldrand und ein weißes Hemd mit Krawatte trug und der immer eine Taschenuhr mit Kette bei sich hatte. Er hatte die Arme hochgekrempelt und wischte sich andauernd mit einem nassen Papierhandtuch das Handgelenk.
»In New Orleans. Als ich noch im First District arbeitete«, sagte ich.
Er knüllte das Papier zusammen und warf es ins Blumenbeet. Er hatte einen angewiderten Ausdruck im Gesicht.
»Für mich war es das erste Mal«, sagte er. »Ein Grund mehr, in New Iberia zu bleiben. Hat er Familie hier?«
»Ich glaube, er war nicht verheiratet. Ob er in Houston noch Verwandte hat, weiß ich nicht.«
»Wenn es sich ergibt, daß Sie mit jemandem reden müssen, können Sie ihnen sagen, daß er wahrscheinlich nach dem ersten Schuß nichts mehr gespürt hat.«
»Und stimmt das?«
»Das können Sie der Familie sagen, Dave.«
»Ich verstehe.«
»Die Augen waren offen, als es ihn das zweite Mal erwischt hat. Vermutlich hat er’s voll mitgekriegt. Aber wo steht geschrieben, daß die Hinterbliebenen alles wissen müssen?« Ein Mann von der Spurensicherung, der nach Fingerabdrücken suchte, ging zur Tür hinaus, und ein Deputy schloß hinter ihm zu. Sie stiegen beide in ihre Wagen. »Meinen Sie also, der Mordschütze gehört zur Mafia?« fragte der Arzt.
»Wer weiß? Jedenfalls deren Markenzeichen.«
»Warum machen sie es so? Nur um auf Nummer Sicher zu gehen?«
»Eher weil die meisten von denen degenerierte Sadisten sind. Aber vielleicht sag’ ich das nur, weil ich so müde bin.« Ich zwang mir ein Lächeln ab.
»Was macht Ihre Schulter?«
»Ist okay. Ich werd’ Eis drauf tun.«
»Ich habe Blutspuren von der Garagenecke. Vielleicht hilft Ihnen das ja weiter.«
»Danke, Doktor. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir eine Kopie des Autopsieberichts schicken, sobald er fertig ist.«
»Sind Sie sicher, daß es Ihnen gutgeht? Das war ziemlich knapp da drinnen, oder?«
»Na ja, unterm Strich ist klar, ich hätte merken müssen, daß da noch jemand in dem Schlafzimmer war. Er hatte gerade erst begonnen, den Raum zu durchwühlen, als er mich im Flur hörte. Ich kann von Glück reden, daß er mir nicht den Schädel eingeschlagen hat.«
»Ich weiß nicht, ob das irgendeine Art Trost für Sie ist, aber der Kerl, den Sie verwundet haben, hat wahrscheinlich haufenweise Splitter in Hals oder Gesicht. Vielleicht taucht er in irgendeinem Krankenhaus auf. Nach meiner Erfahrung sind die meisten dieser Typen echte Heulsusen, wenn’s drum geht, selbst Schmerzen zu ertragen.«
»Mag sein. Gute Nacht, Doktor.«
»Gute Nacht, Dave. Fahren Sie vorsichtig.«
Weißer Nebel lag auf den Feldern, als ich nach New Iberia zurückfuhr. Mein Schlüsselbein pochte und fühlte sich geschwollen und heiß an, wenn ich es berührte. Das Neonschild in leuchtendem Pink über der Kneipe an der Straße funkelte weich auf den Parkplatz aus Austernschalen. Im Kopf wiederholte ich immer wieder, was mir der Sergeant meines Zugs in meiner ersten Woche in Vietnam gesagt hatte: Denk vorher nicht darüber nach, und hinterher schon gar nicht.
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