Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North
Matratze, einen winzigen Tisch, auf dem eine Öllampe stand, und ein Fenster, das auf den Appellplatz hinausblickte. Ein halbes Dutzend brauner Streifen verlief über die Decke, die alle in einem zerquetschten Moskito endeten, offenbar ein Überbleibsel vom letzten Sommer. Es gab keine Heizung, aber ich hatte einen ganzen Stapel Armeedecken, die nach Naphthalin stanken.
Dreimal am Tag brachte man mir Essen, und so schwitzte ich langsam mein Fieber aus.
Eigentlich wollte ich am liebsten zur Tür hinaus und auf den Highway, der silbrig im Mondlicht schimmerte und mich dorthin zurückbringen würde, von wo ich gekommen war. Ziemlich wahrscheinlich, dass mein Haus immer noch verlassen war, mit
dem Pianola, das in seine Einzelteile zerfiel, den staubigen Büchern, den Bettgestellen, der Garten inzwischen wild wuchernd. Dorthin wollte ich, an einen Ort, den ich gut kannte, zu den Erinnerungen an jene Menschen, die ich einmal liebte.
Aber etwas hielt mich zurück, und das waren nicht nur Bedenken wegen der Kälte und der Verpflegung.
Draußen überquerten die Gefangenen gerade den Appellplatz zur Schlafbaracke, und in der Dämmerung schien es beinahe, als blicke ich auf die alte Welt. Dort war eine Farm, und hier waren die Arbeiter, die in Zweier- und Dreiergruppen durch die kalte Nachtluft schlenderten.
Einer von ihnen war Shamsudin, ich erkannte ihn an seinem Gang. Keiner der Gefangenen hatte es besonders eilig, aber Shamsudin ging besonders langsam und seit einiger Zeit auch etwas gebeugt. Er war wohl inzwischen einer der Ältesten im Lager. Es war unser dritter Winter hier, vor uns lag unser vierter Sommer, und seit über einem Jahr hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.
Das Leben im Lager hatte Shamsudin merklich altern lassen. In den letzten Monaten hatte ich ihn oft auf den Feldern gesehen, wie er sich auf seine Schaufel stützte und verschnaufte. Einige der Jüngeren arbeiteten fast schon provozierend langsam, als ob sie die Wachen herausfordern wollten, sie doch anzutreiben.
Die Älteren aber, wie Shamsudin, arbeiteten langsam, weil sie immer schwächer wurden. Sie verbargen das hinter einer gewissen Bequemlichkeit, aber es war nichts anderes als tiefe Erschöpfung. Manchmal überraschte man einen der Älteren, wie er sich hinter einer Mauer ausruhte, die Beine weit von sich gestreckt, das Gesicht ausgezehrt wie das einer Leiche.
Es gab hier niemanden über fünfzig. Zumindest meiner Schätzung nach. Krankheiten und Kälte verhinderten das. Selbst bei den Wachen hatten nur die wenigsten graues Haar.
Die älteren Gefangenen hatten nur zwei Hoffnungen: Entweder sie wurden zur Wache befördert – doch das wurde immer unwahrscheinlicher, je älter sie wurden, und kam überhaupt nicht vor, wenn sie Moslems waren –, oder man gab ihnen leichtere Arbeit in der Zone.
Es war mitleiderregend, welche Mühe sie sich gaben, wenn sie hörten, dass wieder ein paar Männer gesucht wurden. Sie rasierten sich und kämmten sich das Haar, und einmal zog ein alter Bursche namens Tuvik sogar ein frisches Hemd an, das er irgendwie aufbewahrt hatte, heftete eine ganze Stange Orden daran und streckte seinen mageren Kiefer vor, als ihn die Wachen musterten. Letztlich gingen sie aber weiter, ohne ihn zu nehmen, und sein Adamsapfel hüpfte auf und ab.
Einer der Halbtungusen machte sich seinen Spaß mit ihm, als wir zur Baracke zurückgingen. »Hey Tuvik, wo hast du die ganzen Orden geklaut, du alter Dieb?«
»Ich habe zwei Jahre lang im Pazifikkrieg gekämpft«, rief Tuvik, ganz offensichtlich tief in seinem Stolz verletzt. »Ich war auf einem U-Boot und habe Schlitzaugen wie dich mit bloßen Händen umgebracht! «
Der Tunguse lachte und wehrte Tuvik mühelos ab, als dieser nach ihm schlagen wollte – Tuviks Unterarme waren dünn wie Schilf, und seine Hände waren wie kleine Vogelkrallen in den braunen Fäusten des Tungusen.
In der Nacht dann stahl der Tunguse Tuvik die Orden und verlor sie tags darauf beim Kartenspiel. Eine Woche später starb Tuvik im Schlaf.
Es waren vor allem die Wachen, die unseren Träumen von der Zone Nahrung gaben. Als ich noch in der Baracke war, machten sie ständig Bemerkungen darüber, was wir dort finden würden. Kühlschränke, Generatoren, Waffen – all das wurde dort hergestellt, sagten sie. Und einer behauptete sogar, es gäbe dort ein Kino.
Natürlich reizte es mich, die Zone einmal selbst zu sehen, vor allem aber dachte ich, es wäre gut für Shamsudin, dorthin zu kommen. Er
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