Weites Land der Träume
das soll wohl ein Witz sein!«, höhnte Alice. »Wenn ich dabei gewesen wäre, hättest du mich dann auch gerettet, so wie Judd?« Jetzt gab es kein Zurück mehr.
»Wenn du mich verlässt, bringe ich mich um«, sagte Teddy und sackte bedrückt auf einen Sessel. »Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht vorstellen.« Alice war zu verletzt und zu wütend, um die Alarmglocken zu hören.
»Dann hätte ich ein Problem weniger«, schleuderte sie ihm entgegen. »Dieser Schwachsinn wirkt bei mir nicht, Teddy, nicht nach dem, was du mir angetan hast. Du hast ja nicht einmal eine Waffe.« Türenknallend stürmte sie hinaus und nach oben, wo sie auf dem Speicher ihren Koffer suchte. Tränen verschleierten ihr die Sicht. Als sie sich an einem Stapel staubiger Kartons vorbeizwängte, hörte sie plötzlich einen gedämpften Schuss. Sie erstarrte. Zitternd vor Angst drängte sie sich durch das angesammelte Gerümpel zurück zur Tür.
»Oh, Gott, Teddy, das wollte ich nicht. So habe ich es nicht gemeint«, flüsterte sie immer wieder. In ihrer panischen Hast stürzte sie beinahe auf der Treppe. »Bitte, lass ihn am Leben sein.« Die Wohnzimmertür war geschlossen, und ihre Hand bebte so sehr, dass sie kaum den Türknauf drehen konnte. Als es ihr schließlich doch gelang, stellte sie fest, dass das Zimmer leer war. Ihre Brust war wie zugeschnürt, und ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen, als sie zur Tür seines Arbeitszimmers eilte. Sie riss sie auf und starrte Teddy an, der mit aschfahlem Gesicht mitten im Raum stand. Er zitterte wie Espenlaub und hatte eine Pistole in der Hand. Vor Erleichterung hätten ihr fast die Knie nachgegeben. Auf dem Boden lag zerbrochen ein Figürchen aus Dresdner Porzellan neben einem kostbaren Gemälde, das Lord Turlington ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte. Nun hatte die Leinwand einen großen Riss. In dem nun folgenden Schweigen hörte sie oben Marigolds Schritte.
»Verdammt, das blöde Ding ist einfach so losgegangen«, stammelte Teddy. »Ich wollte mir nichts antun, Alice, sondern dir nur Angst einjagen, damit du merkst, wie sehr ich dich liebe. Du darfst mich nicht verlassen, Alice, mein Liebling. Alice, ich flehe dich an. Du verstehst das nicht. Ich war einsam. Mir ist alles zu viel geworden. Ich liebe dich. Ich will dich, Alice. Ich brauche dich.«
»Genau so, wie du Monica gebraucht hast«, entgegnete Alice angewidert. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging hinaus.
TEIL III
Kapitel fünfundzwanzig
In dem zerbeulten alten Falcon-Kombi, den sie in Sydney für ein Butterbrot gekauft hatte, fuhr Alice die lange, gerade Straße entlang, die zu den Ebenen mit der schwarzen Erde führte. Dabei plauderte sie aufgeregt mit den Kindern und mit Marigold, und ihr Herz sang, als sie sie auf vertraute Orientierungspunkte und auch auf die Veränderungen in den acht Jahren seit ihrer Abreise aus Australien hinwies. Die endlose, geschwungene Landschaft war so verdorrt und braun, wie sie sie im Gedächtnis hatte. Erinnerungen kehrten zurück, und viele vertraute Geräusche und Bilder kamen ihr in den Sinn. Der Anblick des leuchtend blauen und wolkenlosen Himmels erhellte ihre Stimmung. Sie liebte die Hitze, den kräftigen Geruch des Landes, der durch die Fenster hereinwehte, den Staub und sogar dass sie immer wieder anhalten mussten, um die mit toten Fliegen übersäte Windschutzscheibe zu putzen. Immer wieder flatterten Kakadus mit rosafarbenen Bäuchen auf. Ja, sogar die Fliegen-schwärme machten sie froh. Sie war wieder zu Hause, dort, wo sie hingehörte. In wenigen Stunden würde sie Bea um den Hals fallen. Bea, mit ihrem zauberhaften Lächeln. Und Bea würde die Kinder an sich drücken. Dann würden sie sich alle lachend und weinend in den Armen liegen und erzählen, was sich in der Zwischenzeit zugetragen hatte. Freude stieg in ihr auf, und am liebsten hätte sie es in die Welt hinausgerufen. Hier lagen ihre Wurzeln, und hier würde sie sich ein neues Leben aufbauen, ihre Kinder großziehen und sie lehren, dieses riesige, unbezähmbare Land so zu lieben, wie sie es tat.
»Wir fangen wieder von vorne an, Marigold«, begeisterte sie sich. »Ein ganz neues Leben. Hier baue ich mein Schloss, wie ich es mir immer erträumt habe. Du wirst von Tante Bea begeistert sein«, fügte sie zum wohl tausendsten Mal hinzu. »Oh, Marigold, so aufgeregt war ich schon lange nicht mehr. Es gibt hier so vieles, was ich euch unbedingt zeigen will, und Leute, die ihr unbedingt kennen lernen müsst.« Sie fühlte sich
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