Weites Land der Träume
unterdrücken, die ihren Körper erschütterten.
»Es tut mir ja Leid für dich, Schwesterchen, aber er heiratet nun einmal Katie, und damit müssen wir uns eben abfinden. Wie oft hast du mir gepredigt, dass es Zeit- und Energieverschwendung ist, sich über Dinge aufzuregen, die man sowieso nicht ändern kann? Zugegeben, der Typ ist ein Schwein, aber dafür führst du dich auf wie eine Heulsuse, Prinzessin.« Bei Bens Worten fuhr Alice hoch. Seit ihr Vater fort war, hatte niemand mehr sie Prinzessin genannt. Doch anstatt wehmütige Erinnerungen in ihr zu wecken, löste der Kosename in ihr ein Gefühl der Geborgenheit aus. Alice hörte auf zu weinen, setzte sich auf und putzte sich die Nase.
»Ich bin keine Heulsuse«, protestierte sie. »Sei nicht so gemein.«
»Dann benimm dich nicht wie eine«, beharrte Ben.
Alice schluckte. Ben hatte Recht. Sie hielt sich nicht mehr an ihre eigenen Grundsätze. Und außerdem dachte sie überhaupt nicht an Bea und Ray, die nach Katies Eröffnung am Boden zerstört waren.
»Gut. Was schlägst du also vor?«
»Keine Ahnung. Du musst etwas wirklich Aufsehenerregendes tun.«
»Was zum Beispiel?«, fragte Alice tonlos. Sie spürte, wie sich wieder Niedergeschlagenheit in ihr breit machte.
»Komm schon, Alice. Was ist mit deinem Traum? Unserem Traum? Den kann dir niemand wegnehmen, ganz gleich, was sie dir sonst antun.«
Alice sah ihren Bruder erstaunt an. »Seit wann bist du denn so erwachsen?«, wunderte sie sich.
Erleichtert, dass Alice ihm endlich richtig zuhörte, fuhr Ben fort. »Was ist der nächste Schritt zur Verwirklichung unseres Traums?«
Alice zog die Beine an, stützte das Kinn auf die Knie und überlegte. »Tja, eine Herde haben wir ja schon – bestehend aus ganzen zwei Tieren.« Bedrückt lachte sie auf, und ihre Augen funkelten plötzlich zornig. »Denn die werde ich behalten und damit den Grundstein für unsere eigene Schafzucht legen.« Eine gesunde Wut ließ sie ihren Schmerz vergessen. »Und dann brauchen wir …«
»… Land«, unterbrach Ben sie ungeduldig. »Und um Land zu kaufen, brauchen wir Geld. Wie viel hast du?«
Alice rechnete nach. »Etwa sechs Pfund.«
»Mit meinen vier sind das zehn. Wenn ein halber Hektar ein Pfund kostet und Hungry Spirit morgen bei den Mittwochsrennen bei einer Quote von dreißig zu eins gewinnt, kriegen wir dafür hunderfünfzig Hektar gutes Weideland.«
»Hungry Spirit – was weißt du über ihn?«
»Nichts, aber wie kann man mit so einem Namen verlieren?«
»Du verlangst von mir, dass ich mein Geld auf ein Pferd setze, nur weil dir der Name gefällt? Du spinnst wohl!«, rief Alice aus.
»Richtig«, erwiderte Ben mit einem triumphierenden Grinsen und brachte sie damit zum ersten Mal seit drei Tagen zum Lächeln.
Wenn im Leben alles schief zu gehen scheint, geschehen zuweilen die seltsamsten Dinge. Hungry Spirit gewann mit einer Quote von siebzehn zu eins. Über das ganze Gesicht grinsend, holte Ben den Gewinn von einem Freund ab und machte sich auf die Suche nach Alice.
»Warum fragst du nicht Hal Tyson, ob irgendwo in der Nähe von seiner Farm Land zu verkaufen ist?«, schlug Ben vor und wedelte Alice zufrieden mit den Geldscheinen unter der Nase herum. »Ich habe mich ein bisschen umgehört. Die Gegend dort ist gutes Weidegebiet. Man kann ja nie wissen. Vielleicht tritt er dir ja ein Stückchen von seinen Weiden ab.«
»Du steckst voller Überraschungen, Ben«, meinte Alice lachend.
»Besser, als den Trauerkloß zu spielen.« Er versetzte seiner Schwester einen freundschaftlichen Rippenstoß.
Als Alice am folgenden Freitag von einem Botengang für Mrs. Small zurückkehrte, dachte sie über Bens Worte nach. Sie litt immer noch schrecklich wegen Roberts Verrat und weigerte sich, auch nur ein Wort mit Katie zu wechseln. Aber zumindest hatte Ben es geschafft, sie aus ihrer Verzweiflung zu locken und ihren Kampfgeist zu wecken. Am nächsten Tag wollte sie mit ihm zur landwirtschaftlichen Genossenschaft zu fahren, um herauszufinden, wo Land zum Verkauf stand.
Sie flog eine viersitzige Cessna Skylane 182, deren Rufzeichen XDX deutlich am Rumpf prangte. Die Passagier- und Copilotensitze hatte man entfernt, um Platz für die Post und größere Frachtstücke zu schaffen. Weitere Päckchen ließen sich hinter ihr im Rumpf verstauen. Auf dem Hinweg war die Maschine ziemlich schwer beladen gewesen, doch nun war sie wesentlich leichter und deshalb einfacher zu handhaben. »X-Ray Delta X-Ray«, murmelte Alice vor sich
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