Wellenbrecher
Sie jetzt hin?« fragte sie ihn.
»Rauf zur Landspitze. Ich will mal sehen, ob ich nicht rausbekommen kann, was Harding da wollte. Hat Ihre Mutter Gefrierbeutel da?«
»Nein. Wir können uns keine Gefriertruhe leisten.«
»Klarsichtfolie?«
»In der Schublade neben der Spüle.«
»Kann ich sie mitnehmen?«
»Sicher.«
Er nahm die Rolle heraus und klemmte sie unter den Arm.
»Wozu brauchen Sie die?«
»Beweismittel«, antwortete er wenig hilfreich und ging zur Tür.
Sie beobachtete ihn mit einem Ausdruck, der etwas Verzweifeltes hatte. »Und was ist mit mir und Mutter?«
Er drehte sich stirnrunzelnd um. »Was soll denn mit Ihnen sein?«
»Gott, ich weiß auch nicht«, sagte sie ärgerlich. »Wir sind beide ziemlich fertig. Dieser Kerl hat mich geschlagen, falls Sie das vergessen haben sollten. Ist es nicht Aufgabe der Polizei, sich um Frauen zu kümmern, die überfallen worden sind? Ihre Aussagen aufzunehmen oder so was?«
»Wahrscheinlich«, antwortete er, »aber heute ist mein freier Tag. Ich bin als Freund gekommen, um Ihnen zu helfen, nicht als Polizist, und ich kümmere mich nur um Harding, weil er mit dem Fall Sumner zu tun hat. Keine Sorge«, fügte er mit einem beruhigenden Lächeln hinzu, »er ist keine Gefahr für Sie. Jedenfalls nicht, solange er in Poole ist. Aber rufen Sie neun-neun-neun an, wenn Sie jemanden brauchen, der Ihnen die Hand hält.«
Sie wurde wütend. »Ich will ihn anzeigen, und das heißt, daß Sie meine Aussage aufnehmen müssen, und zwar gleich.«
»Hm, vergessen Sie mal lieber nicht, daß er auch eine Aussage machen wird«, sagte Ingram. »Vielleicht wird Ihnen die Lust an einer Anzeige vergehen, wenn er sich entschließt, ebenfalls Anzeige zu erstatten, weil Sie Ihren Hund offensichtlich nicht unter Kontrolle hatten. Der hat ihn immerhin schwer verletzt. Da wird dann Ihr Wort gegen seines stehen«, schloß er, als er sich wieder der Tür zuwandte, »und das ist einer der Gründe, warum ich jetzt noch mal dort hinauffahre.«
Sie seufzte. »Sie sind wahrscheinlich beleidigt, weil ich gesagt habe, Sie sollen sich um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Nicht im geringsten«, entgegnete er. »Versuchen Sie’s mal mit verärgert oder gelangweilt.«
»Soll ich mich entschuldigen?« rief sie ihm nach, als er in der Spülküche verschwand. »Na schön, in Ordnung. Ich bin müde, ich bin total fertig und ich bin nicht gerade strahlender Laune, aber« - sie knirschte mit den Zähnen - »ich entschuldige mich, wenn es das ist, was Sie wollen.«
Aber sie bekam keine Antwort. Sie hörte nur noch, wie die Hintertür hinter ihm zufiel.
Galbraith schwieg so lange, daß William Sumner sichtlich unruhig wurde. »Na also, da haben Sie’s doch«, sagte er schließlich. »Ich könnte sie gar nicht ertränkt haben.« Eines seiner Augenlider hatte nervös zu zucken begonnen, und das ständige Zwinkern wirkte auf absurde Weise komisch. »Ich verstehe nicht, warum Sie mich verfolgen. Sie haben gesagt, Sie suchen jemanden mit einem Boot, und Sie wissen genau, daß ich keines habe. Und ich verstehe auch nicht, wieso Sie Steven Harding freigelassen haben. Von Constable Griffiths habe ich nämlich gehört, daß man ihn am Samstag morgen draußen vor Tesco’s mit Kate im Gespräch gesehen hat.«
Constable Griffiths sollte lernen, den Mund zu halten, dachte Galbraith verärgert. Aber wahrscheinlich war ihr kein Vorwurf zu machen. Sumner war intelligent genug, um zwischen den Zeilen von Zeitungsartikeln zu lesen, die von ›einem jungen Schauspieler aus Lymington‹ berichteten, der ›von der Polizei vernommen worden war‹, und dann auf nähere Erklärungen zu drängen.
»Das Gespräch war nur kurz«, sagte er, »dann haben sie sich getrennt. Sie hat danach mit mehreren Händlern auf dem Markt gesprochen, aber Harding war nicht bei ihr.«
»Tja, ich war nicht derjenige, der sie ermordet hat.« Er zwinkerte nervös. »Es muß also noch jemanden geben, den Sie noch nicht gefunden haben.«
»Ja, so scheint es.« Galbraith nahm ein Foto von Kate Sumner von dem Beistelltisch neben dem Sofa. »Aber der Schein trügt nur allzuoft. Ich meine, nehmen Sie nur mal Ihre Frau. Sehen Sie das Bild?« Er hielt Sumner das Foto hin. »Auf den ersten Blick sieht sie aus, als könnte sie kein Wässerchen trüben, aber je mehr man über sie erfährt, desto klarer wird, daß das nicht stimmt. Lassen Sie mich kurz aufzählen, was ich inzwischen über sie weiß.« Er hob eine Hand und zählte im
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