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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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kauerte sich noch tiefer in seinen Sitz, als wäre ihm kalt, und starrte blicklos zum Fenster hinaus. Er schien in Lethargie versunken, und Ingram fragte sich, ob er noch immer versuchte, sich eine Rechtfertigung auszudenken, oder ob die Ereignisse dieses Morgens nun doch endlich ihren Tribut von ihm forderten.
    »Diesen Hund sollte man erschießen«, sagte Harding plötzlich.
    Aha, er bastelt also immer noch an seiner Verteidigung, dachte Ingram, etwas verwundert, daß Harding so lange dazu gebraucht hatte, dieses Argument vorzubringen.
    »Miss Jenner sagt, er habe sie nur beschützen wollen«, entgegnete er milde.
    »Er hat mich fast zerfleischt.«
    »Sie hätten sie nicht angreifen sollen.«
    Harding seufzte tief. »Das wollte ich ja auch gar nicht«, bekannte er, als sei ihm klargeworden, daß es nur Zeitverschwendung wäre, sich weiter mit Ingram zu streiten. »Ich hätte es wahrscheinlich nicht getan, wenn sie mich nicht pervers genannt hätte. Der letzte, der das getan hat, war mein Vater, und ich habe ihn dafür niedergeschlagen.«
    »Warum hat er Sie als pervers bezeichnet?«
    »Weil er altmodisch ist und ich ihm erzählt habe, daß ich einen Pornofilm gemacht hatte, um Geld zu verdienen.« Harding ballte die Hände zu Fäusten. »Wenn die Leute doch bloß nicht dauernd ihre Nase in meine Angelegenheiten stecken würden. Es geht mir echt auf den Geist, daß mir jeder ständig Vorträge darüber hält, wie ich mein Leben zu führen habe.«
    Ingram schüttelte gereizt den Kopf. »Es gibt nichts umsonst, Mr. Harding.«
    »Was soll denn das nun wieder heißen?«
    »Lebe jetzt, zahle später. Alles hat seinen Preis. Niemand hat Ihnen einen Rosengarten versprochen.«
    Harding drehte den Kopf und schaute zum Seitenfenster hinaus, um Ingram, den er offensichtlich für selbstgerecht und gönnerhaft hielt, die kalte Schulter zu zeigen. »Ich weiß beim besten Willen nicht, worüber Sie eigentlich reden.«
    Ingram lächelte dünn. »Das ist mir klar.« Er sah Harding flüchtig von der Seite an. »Was haben Sie heute morgen auf Emmetts Hill gemacht?«
    »Ich bin gewandert.«
    Einen Moment blieb es still, dann lachte Ingram. »Was Besseres fällt Ihnen nicht ein?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Machen Sie mir doch nichts vor. Sie haben einen ganzen Tag Zeit gehabt, sich etwas auszudenken, aber wenn das die einzige Erklärung ist, die Ihnen einfällt, müssen Sie von der Polizei schon eine sehr geringe Meinung haben.«
    Harding wandte sich ihm mit einem entwaffnenden Lächeln zu. »Die habe ich auch.«
    »Dann wollen wir doch mal sehen, ob sich das nicht ändern läßt.« Ingrams Lächeln war beinahe ebenso entwaffnend.
     
    Gregory Freemantle goß sich im Wohnzimmer seiner Wohnung in Poole gerade einen Whisky ein, als seine Freundin zwei Kriminalbeamte hereinführte. Die Atmosphäre war spürbar geladen, und beide Männer merkten sofort, daß sie mitten in einen Riesenkrach hineingeplatzt waren.
    »Sergeant Campbell und Constable Langham von der Kriminalpolizei«, sagte sie kurz. »Sie möchten dich sprechen.«
    Freemantle war ein Peter-Stringfellow-Typ, ein alternder Playboy mit strähnigem blondem Haar und einem ersten Anflug von Hoffnungslosigkeit in den schlaffen Falten um Augen und Kinn. »O Gott«, stöhnte er, »Sie nehmen ihr Gerede von dem verdammten gekenterten Beiboot doch wohl hoffentlich nicht ernst! Sie hat keine Ahnung vom Segeln« - er legte eine kurze Denkpause ein - »oder von Kindern, was das betrifft. Alles, was sie hat, ist ein großes Mundwerk.« Er machte eine Gebärde mit Daumen und Zeigefinger, um einen klappernden Schnabel nachzuahmen.
    Er war der Typ Mann, der bei anderen Männern eine instinktive Abneigung hervorrief, und Campbell warf der Freundin einen mitleidigen Blick zu. »Es war tatsächlich ein gekentertes Schlauchboot, Mr. Freemantle. Und, doch, wir haben Miss Hales Angaben sehr ernst genommen.«
    Freemantle prostete seiner Freundin zu. »Bravo, Jenny.« Sein glasiger Blick bewies, daß er bereits mehr getrunken hatte, als gut für ihn war, aber er kippte trotzdem zwei Fingerbreit puren Whiskys hinunter, ohne mit der Wimper zu zucken. »Was wollen Sie?« fragte er Campbell. Er bot den beiden Beamten keinen Platz an. Statt dessen wandte er sich wieder der Whiskyflasche zu und schenkte sich erneut ein.
    »Wir ermitteln im Mordfall Kate Sumner«, erklärte Campbell, »und befragen jeden, der am Sonntag in Chapman’s Pool war. Soweit wir wissen, waren Sie mit Ihrem Boot dort, einer

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