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Wellenbrecher

Titel: Wellenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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treten?«
    »Doch, ja, manchmal. Dann brauche ich nur dran zu denken, wie sehr ich diese ganze Hektik und diesen ewigen Konkurrenzkampf gehaßt habe, und schon ist aller Frust verflogen.« Er sah Galbraith mit einem selbstironischen Lächeln an. »Ich war fünf Jahre bei einer Versicherungsgesellschaft, ehe ich zur Polizei gegangen bin, und ich habe jede Minute verabscheut. Ich habe nicht an das Produkt geglaubt, aber vorwärtskommen konnte man nur, wenn man immer mehr verkaufte. Es hat mich verrückt gemacht. Dann hab ich mich an einem Wochenende hingesetzt und mal gründlich darüber nachgedacht, was ich eigentlich vom Leben will, und am Montag darauf habe ich gekündigt.« Er füllte den Topf mit Wasser und stellte ihn aufs Gas.
    Galbraith dachte voller Unmut an seine diversen Lebens-, Aussteuer- und Rentenversicherungen. »Was gibt’s denn an einer Versicherung auszusetzen?«
    »Gar nichts.« Ingram hob seine Bierdose und trank einen Schluck. »Vorausgesetzt, man braucht sie... vorausgesetzt, man ist sich über die Bedingungen im klaren... vorausgesetzt, man kann sich die Prämien leisten… vorausgesetzt, man hat das Kleingedruckte gelesen. Mit einer Versicherung ist es wie mit jeder anderen Ware: Das Risiko liegt beim Käufer.«
    »Jetzt machen Sie mich aber wirklich nervös.«
    Ingram lachte. »Falls es Ihnen ein Trost ist, ich hätte haargenau das gleiche empfunden, wenn ich Lose verkauft hätte.«
     
    Sandy Griffiths war voll bekleidet im Gästezimmer eingeschlafen und fuhr erschrocken in die Höhe, als im Nebenzimmer Hannah zu schreien anfing. Mit hämmerndem Herzen sprang sie vom Bett und wäre beinahe mit William Sumner zusammengestoßen, der sich aus dem Kinderzimmer schleichen wollte.
    »Was zum Teufel tun Sie da?« fuhr sie ihn aufgebracht an, ihre Nerven durch das abrupte Aufwachen zum Zerreißen gespannt. »Sie sollten da doch nicht reingehen.«
    »Ich dachte, sie schliefe. Ich wollte sie nur einmal ansehen.«
    »Es war ausgemacht, daß Sie das nicht tun würden.«
    » Ich habe mit niemandem etwas Derartiges ausgemacht. Sie haben kein Recht, mich an irgendwas zu hindern. Dies ist mein Haus, und sie ist meine Tochter.«
    »Darauf würde ich mich an Ihrer Stelle lieber nicht verlassen«, sagte sie scharf und wollte gerade hinzufügen: Hannahs Rechte haben vorläufig Vorrang vor Ihren, aber er ließ sie nicht ausreden.
    Er packte sie an beiden Armen und starrte sie voller Abscheu an, während sein Gesicht nervös zuckte. »Mit wem haben Sie geredet?« zischte er.
    Sie sagte nichts, hob nur die Hände und brach seinen Griff, indem sie ihm auf beide Handgelenke schlug. Mit einem erstickten Aufschluchzen fuhr er herum und stolperte den Flur hinunter. Aber es dauerte eine Weile, bevor ihr aufging, was seine Frage zu bedeuten hatte.
    Es würde vieles erklären, dachte sie, wenn Hannah gar nicht sein Kind ist.
     
    Mit einem zufriedenen Seufzer legte Galbraith Messer und Gabel neben seinen Teller. Sie saßen in Hemdsärmeln auf der kleinen Terrasse am Haus neben einem knorrigen alten Pflaumenbaum, der einen leichten Gärungsgeruch ausströmte. Eine Sturmlaterne zischte leise auf dem Tisch zwischen ihnen und warf gelbes Licht auf die Hausmauer und den Rasen. Am Horizont trieben von Mondlicht versilberte Wolken wie windgepeitschte Schleier über das Meer.
    »Also, ich würde Probleme damit haben«, sagte er. »Es ist einfach zu perfekt.«
    Ingram schob seinen Teller beiseite und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Man muß seine eigene Gesellschaft mögen. Wenn man das nicht tut, ist das hier der einsamste Ort der Welt.«
    »Und tun Sie’s?«
    Ingram lächelte. »Ich komme ganz gut zurecht«, sagte er, »solange Leute wie Sie nicht allzuoft vorbeischauen. Einsamkeit ist für mich ein geistiger Zustand, kein Ziel.«
    Galbraith nickte. »Ja, das leuchtet mir ein.« Einen Moment lang betrachtete er Ingram nachdenklich. »Erzählen Sie mir doch mal was von Miss Jenner«, sagte er dann. »Harding tat so, als hätte er sich glänzend mit ihr unterhalten, bevor Sie dazukamen. Könnte er ihr mehr erzählt haben, als sie Ihnen gesagt hat?«
    »Schon möglich. Sie wirkte sehr locker im Gespräch mit ihm.«
    »Und wie gut sind Sie mit ihr bekannt?«
    Aber so leicht ließ Ingram sich über seine Privatangelegenheiten nicht aushorchen. »So gut wie mit allen anderen Leuten hier in der Gegend«, antwortete er ruhig. »Was halten Sie eigentlich von Harding, das würde mich mal interessieren.«
    »Schwer zu sagen. Er hat

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