Wellenbrecher
einmischen.«
»Ach was? Das war Ihnen doch bestimmt nur recht!« Sie schnippte die Asche ihrer Zigarette in ihre Untertasse. »Ich meine, Sie haben doch keine gleichwertige Partnerin geheiratet, nicht? Sie haben eine Haushälterin geheiratet, die dafür zu sorgen hatte, daß der Haushalt wie am Schnürchen lief, und jede Ausgabe bis auf den letzten Penny abrechnen mußte.«
»Nein, so war es nicht.«
»Wie dann?«
»Als wenn ich irgendwo zur Untermiete gewohnt hätte«, sagte er bitter. »Ich hatte weder eine Partnerin noch eine Haushälterin zur Frau, sondern eine Hauswirtin, die mich hier wohnen ließ, solange ich pünktlich die Miete zahlte.«
Am frühen Donnerstag nachmittag glitt die französische Jacht Mirage den Dart hinauf und legte in der Dart-Haven-Marina an, gegenüber der hübschen Stadt Dartmouth und neben der Eisenbahnlinie nach Paignton, eine der wenigen Strecken, auf der noch Dampflokomotiven verkehrten. Kurz nachdem das Boot festgemacht hatte, ertönte ein schriller Pfiff, und der Dreiuhrzug stampfte, in Dampfwolken gehüllt, aus dem Bahnhof. In dem Eigner der Mirage regte sich eine romantische Sehnsucht nach fernen Tagen, an die er selbst sich gar nicht mehr erinnern konnte.
Seine Tochter hingegen verspürte nichts als finsteren Mißmut. Sie konnte absolut nicht verstehen, warum sie ausgerechnet auf dieser Seite des Flusses angelegt hatten, wo es außer dem Bahnhof nichts gab, während drüben in Dartmouth das Leben lockte - Geschäfte, Restaurants, Pubs, Menschen, Trubel, Männer! Voller Verachtung beobachtete sie, wie ihr Vater die Videokamera herausholte und in der Tasche nach einer neuen Kassette suchte, um die Dampflokomotiven aufzunehmen. Wie ein kleiner Junge, dachte sie, mit seiner lächerlichen Begeisterung für das ländliche England. Dabei war London doch das einzige, was überhaupt zählte! Sie war unter ihren Freunden die einzige, die noch nie in London gewesen war, und fand das geradezu peinlich. Wirklich unmöglich, ihre Eltern!
Leicht verärgert drehte ihr Vater sich zu ihr um und wollte wissen, wo die neuen Kassetten seien, und sie mußte bekennen, daß keine mehr da war. Sie hatte sie alle verbraucht, als sie aus Langeweile alle möglichen belanglosen Dinge gefilmt hatte. Mit aufreizender Toleranz (er gehörte zu den verständnisvollen Vätern, die nie streiten) spielte er die Videos nacheinander ab, um zu sehen, welches am ehesten zur Wiederverwendung geeignet sei.
Als er plötzlich die Aufnahmen eines jungen Mannes sah, der den Hang über Chapman’s Pool hinunterlief und auf zwei Jungen zueilte, gefolgt von Bildern, die ebendiesen jungen Mann allein am Strand bei den Bootshütten sitzend zeigten, senkte er die Kamera und betrachtete seine Tochter mit besorgt gerunzelter Stirn. Sie war vierzehn Jahre alt, und ihm wurde bewußt, daß er keine Ahnung hatte, ob sie noch ein unschuldiges Kind war oder ob sie genau wußte, was sie da aufgenommen hatte. Er beschrieb ihr den jungen Mann und fragte, warum sie ihn so ausgiebig gefilmt hätte. Sie lief rot an unter der Sonnenbräune. Nur so. Er wäre eben einfach da gewesen, und er sähe - sie sagte es trotzig - super aus. Außerdem kenne sie ihn. Sie hätten sich in Lymington getroffen und eine Weile miteinander unterhalten. Und er interessierte sich für sie. Das hätte sie sofort gemerkt.
Ihr Vater war entsetzt.
Seine Tochter zuckte rebellisch die Achseln. Was denn schon dabei sei? Gut, er sei Engländer, na und? Er sei nichts weiter als ein netter Typ, der was für Französinnen übrig hätte, erklärte sie.
Bibi Gould kam vergnügt aus dem Frisiersalon, in dem sie arbeitete, und zog ein langes Gesicht, als sie Tony Bridges auf dem Bürgersteig stehen sah, halb von ihr abgewandt, während er eine junge Mutter mit ihrem kleinen Kind beobachtete. Ihre Beziehung zu Tony war inzwischen mehr eine Strapaze als ein Vergnügen, und einen Moment lang dachte sie daran, schnell wieder in den Laden zu verschwinden. Aber nein, er hatte sie gewiß schon gesehen. Sie setzte ein künstliches Lächeln auf. »Hallo!« sagte sie mit gespielter Unbekümmertheit, die allerdings nicht sehr überzeugend wirkte.
Er starrte sie mit dem ihm eigenen seltsam grüblerischen Ausdruck an, vermerkte die knappen Shorts und das abgeschnittene Oberteil, das ihren gebräunten Bauch freiließ, und hatte Mühe, seine Wut zu zügeln. »Mit wem wolltest du dich treffen?«
»Mit niemandem«, sagte sie.
»Was ist denn dann los? Warum hast du so ein
Weitere Kostenlose Bücher