Weller
intelligenten Unterhaltungen, Visitenkarten und schnellem Speichelaustausch beim Abschied. Abschied – das ist so wie shit, oder? Da bleibt dieser Rest, dieses Unbefriedigtsein, obwohl alles toll war. Befriedigend. Aber Frieden ist langweilig. Ich will Krieg. Gibst du mir deine Visitenkarte?«
Ich sah in die Terence Hill-blauen Augen dieser manisch quasselnden Künstlerin, die auf den ersten Blick eher wie ein Mann wirkte, zuckte gleichzeitig mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Lieber nicht.« Ich mühte mich, es als Scherz hinzustellen. Connor Stedler, die amerikanische Fotokünstlerin, ließ eine neue, erstaunlich akzentfreie Redeflut auf mich einregnen. Zuvor hatte sie sich mir unaufgefordert selbst vorgestellt. »Der Name Connor stammt aus dem Irischen. Bedeutet starker Wille . Den habe ich. Und hier drinnen …« Sie klopfte sich auf die flache Brust, »da bin ich so viel Mann wie du. Aber auch ein klein wenig Frau. Doch fühlen tue ich mich wie ein Mann.« Ich war irritiert und fasziniert von ihrer Attitüde. Sie stand breitbeinig vor mir, die Daumen in die Gürtelschlaufen ihrer Jeans gehakt und es fehlte eigentlich nur der Colt an ihrer Hüfte, um dem Inbegriff des US-Amerikaners zu entsprechen. Des männlichen wohlgemerkt. Connor Stedler gab sich in jeder Hinsicht Mühe, nicht als Frau wahrgenommen zu werden. Dabei war sie durchaus attraktiv. Die dunklen, schulterlangen Haare waren dicht und glänzten, ihr Teint war dunkel, beinahe ein wenig olivefarben, und ihre Augen leuchteten. Nun lauschte ich ihrer rauen, dunklen Stimme, derweil streifte mein Blick über die Besucher der Ausstellungseröffnung, welche in kleinen Gruppen vor den Gemälden und Objekten einer vorpommernschen Künstlergruppe standen oder einzeln durch die Säle des Plüschower Schlosses streiften.
Ellen war mit der Leiterin des Kunstschlosses befreundet, der Malerin Jara Veselý – als bildender Künstler war man hier in Mecklenburg einander entweder wohlgesonnen und freundschaftlich zugetan oder spinnefeind, vom Konkurrenzdruck menschlich verformt zum Neider und Missgünstigen. Ellen und Jara gehörten vernünftigerweise zur ersten Kategorie, besuchten gegenseitig ihre Vernissagen und stimmten – obwohl die eine Bildhauerin und die andere Malerin war – in künstlerischen und berufspolitischen Positionen weitgehend überein. Hierher, in die hohen lichten Räume von Schloss Plüschow, kamen Ellen und ich immer gern, denn es ergaben sich stets Gelegenheiten, alte Bekannte zu treffen oder neue, oftmals interessante Menschen kennen zu lernen.
Connor, die in Wirklichkeit Barbara hieß, wie uns Jara verraten hatte, bewohnte seit Kurzem für drei Monate eines der Plüschower Gastateliers. Sie war zwar durchaus interessant, für meinen Geschmack jedoch zu anstrengend und exaltiert. Ich entdeckte Ellen, die sich neben dem Durchgang zum nächsten Saal mit einem silberbärtigen Mann unterhielt, den ich als einen Objektkünstler aus der Nähe von Grevesmühlen identifizierte. Sie lachte, legte den Kopf dabei leicht schräg, sodass ihr dunkler Zopf leise auf ihrem Rücken hin und her schwang. Wie unbeschwert sie wirkte. Sie verkraftete die Sache mit dem fotografierenden Voyeur viel besser als ich. War sie am ersten Abend und am darauf folgenden Tag noch nachdenklich gewesen, bestürzt über den unbemerkten Übergriff des unbekannten Täters, so hatte ihr praktisches Naturell bald die Oberhand gewonnen und sie eine Firma bestellen lassen, die an der Außenwand unserer Scheune Bewegungsmelder und zwei Kameras installierte. Seltsamerweise hatte ich das Gefühl, sie täte dies meinetwegen. Vorhin erst hatte ich sie dabei ertappt, wie sie duschte ohne zuvor die Jalousie am Badezimmerfenster geschlossen zu haben.
»Was ist, wenn er wieder da draußen steht und dich beobachtet?«, hatte ich in Richtung Duschkabine geschnauzt. Die Jalousie fauchte, als ich sie mit einem Ruck niedersausen ließ. Ellen stellte das Wasser ab und ich reichte ihr das Badelaken. Sie schwankte für einen Augenblick zwischen Wut und Gelassenheit.
»Na hör mal, findest du dich nicht ein wenig paranoid? Es ist ja noch nicht einmal dunkel draußen.«
»Der Kerl hat ein Super-Teleobjektiv. Der braucht nicht zu warten, bis du ihm das Licht anmachst.«
»Okay, okay. Ich denke demnächst dran.« Sie stieg aus der Duschkabine und musterte mich besorgt. »Du glaubst wirklich, er könnte wiederkommen und mir etwas tun.« Weniger Frage als Feststellung. Sie kam näher,
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