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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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hüllte mich in den feucht-warmen Zitrusduft ihres Duschgels und gab mir einen Kuss auf die Nase. »Lass uns nicht streiten, Weller. Das macht es nicht leichter. Lass uns lieber die Daumen drücken, dass sie ihn schnell überführen und aus dem Verkehr ziehen.« Sie grinste. »Das kann doch nicht mehr lange dauern; sie haben doch seinen Namen.«
    Ich war mir bezüglich dessen weit weniger sicher als Ellen, denn Kalles Kumpel Burkhard Kraus hatte den Kripobeamten eine recht abenteuerliche Geschichte darüber erzählt, wie er in den Besitz der Foto-CD gekommen sein wollte. Angeblich hatte er sie in einem Drogeriemarkt am Burgwall im Selbstbedienungsfotoautomaten gefunden. Selbst der Fotograf zu sein, stritt er kategorisch ab.
    »Willst du?« Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und hatte keine Ahnung, was diese Connor mich gefragt hatte. Ellen war verschwunden. Um mir keine Blöße zu geben, nickte ich.
    »Warum nicht.«
    Connor griff, zu meiner Überraschung, nach meiner Hand, zog mich zunächst in das repräsentative Treppenhaus und dann weiter über die linke der beiden im Halbrund hinaufführenden Treppen. Ich folgte ihrer großen, sportlichen Gestalt, welche die hölzernen Stufen erklomm, als flöge sie nur so empor. Ich hingegen war schon auf dem ersten Treppenabsatz außer Atem. Hier oben hingen keine Exponate mehr, der Flur war leer. Ich fand, dass Connor sogar ein wenig wie ein Mann roch. Irgendein holziges Herrenparfüm zog sie hinter sich her. Sie schloss linker Hand die Tür zu ihrem Wohnatelier auf. Währenddessen warf ich einen Blick zurück und bemerkte eine Gestalt, die am anderen Flurende aus dem Durchgang kam, hinter dem, wie ich von früheren Besuchen des Schlosses wusste, eine überhaupt nicht repräsentative, gefährlich steile Stiege ins zweite Obergeschoss und zum Dachboden führte. Der Mann war Anfang dreißig, hager und schlecht rasiert. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen und seine Hände waren ungewöhnlich groß. Er hatte etwas Verhuschtes an sich, wich meinem Blick aus und hastete mit gesenktem Kopf die linke der beiden Treppen, die sich auf halber Geschosshöhe vereinigten, hinunter. Ich beugte mich über das Geländer, sah ihm nach. Er trug einen dieser Freizeitanzüge aus bunter Ballonseide, türkis und fliederfarben gemustert, den Reißverschluss der Jacke bis oben hin zugezogen und an den Füßen lindgrüne Plastiklatschen. Nein, das konnte keiner der ausstellenden Künstler sein. Und dass zur selben Zeit zwei dermaßen exzentrische Originale als Stipendiaten im Schloss waren, hielt ich ebenfalls für extrem unwahrscheinlich.
    In diesem Augenblick sah er noch einmal nach oben, entdeckte mich und kam ins Stolpern. Schnell hatte er sich wieder gefangen und verschwand aus meinem Blickfeld. Ich musste verwundert ausgesehen haben, denn Connor fragte, ob ich einen Geist gesehen hätte. Ich beschrieb ihr den Mann und sie grinste breit.
    »Ach, Anthony. Unser Schlossgespenst.« Da ich noch immer verwirrt ausschaute, erklärte sie mir, wer da eben an uns vorbeigelaufen war. »Das ist Marcel, der Hausmeister des Schlosses. Ich nenne ihn Anthony, weil er mich an Anthony Perkins in seiner Rolle als Norman Bates erinnert. Du weißt,   Psycho .« Sie umfasste ihren Hals mit beiden Händen und bleckte die Zähne, als würde sie sich selbst erwürgen. Ich verzichtete auf den Hinweis, dass Janet Leigh bei Hitchcock nicht erwürgt, sondern erstochen worden war. Connor stieß ihre Tür auf.
    »Stör dich nicht an der Unordnung. Kreatives Chaos.« Sie hielt mir die Tür ihres Wohnateliers auf und trat nach mir in den ersten der beiden, ineinander übergehenden Räume. Die Absätze ihrer Cowboystiefel aus weiß-schwarzem Straußenleder klackten laut über das Parkett. Die Einrichtung war spartanisch: Bett, Schrank, Tisch, zwei Stühle. In der Luft hing ein Hauch von Ölfarbe. Er stammte wahrscheinlich aus dem Nachbaratelier, denn weder hier noch in Connors zweitem Raum hinter dem offenen Durchgang gab es Gemälde. In einer Ecke thronte ein fast deckenhoher klassizistischer Kachelofen, der an vormalige, herrschaftliche Zeiten des Gebäudes erinnerte. Auf jeder freien Fläche und auf dem Boden verteilt lagen Bücher, Kleidungsstücke, zerknülltes Papier. Ganz anders präsentierte sich das zweite Zimmer, ihr Arbeitsraum. Hier schien alles einer bestimmten Ordnung zu unterliegen. Unter einem der beiden großen Fenster stand ein Macbook mit aufgeklapptem Deckel. Daneben auf dem Tisch ein aufgeschlagenes

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