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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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wissen alle, wer Sie sind. Klar, Sie machen nur Ihren Job. Aber Ihre Tarnung ist längst aufgeflogen.« Sie runzelte die Stirn. »Und außerdem sind wir hier alle ehrlich. Die Kasse stimmt und wir lassen auch nichts mitgehen. Das können Sie der Zentrale gern berichten.« Sie sah mich mit festem Blick an.
    Ich begriff. Sie und ihre Kolleginnen hielten mich für einen von ihrem Arbeitgeber beauftragten Detektiv, der sie observieren sollte. Gerade in der Drogeriemarktbranche war das ja gang und gäbe, wie man der Presse entnehmen konnte. Ich überlegte kurz, ob diese Falschannahme mir nützen könnte, doch mein ehrliches Naturell gewann.
    »Oh nein, es ist nicht so, wie Sie vermuten. Ich arbeite nicht für Ihren Konzern, bin nicht auf Sie und Ihre Kolleginnen angesetzt.« Ich ließ meinen altväterlichen Charme spielen. »Vielleicht können Sie mir sogar helfen. Aus bestimmten Gründen suche ich einen Ihrer Kunden, von dem ich nichts weiß, außer, dass er an den Unterschenkeln große Tätowierungen hat. Sagt Ihnen das etwas? Kennen Sie ihn?« Ich ließ eine Kundin vor, die diverse Kosmetikartikel, Haarspangen und Süßigkeiten auf das Band legte. Während sie ihren Einkauf bezahlte, dachte ich mir eine Geschichte aus, die nicht allzu weit von der Realität entfernt war, mich aber auch nicht mit dem eigentlichen Fall in Verbindung brachte.
    »Ach, um diese Foto-CD-Geschichte geht es Ihnen.«
    Mein Magen fuhr Fahrstuhl. Ertappt! Natürlich hatte die Polizei ihr und ihren Kolleginnen ähnliche Fragen gestellt. Ich Trottel!
    »Ja, in der Tat. Kennen Sie den Betreffenden?«
    Sie legte ihren Zeigefinger mit dem pfirsichfarben lackierten Nagel an ihre Unterlippe, schien zu überlegen. Dann strahlte sie mich über das ganze Gesicht an.
    »Nein, den kennt von uns hier niemand. Aber eins kann ich Ihnen verraten.« Mein Herz schlug schneller.
    »Ja? «
    »Ihre Toilettenpapiermarke ist diese Woche im Angebot.«
    Ich verkrümelte mich mit einem schiefen Lächeln. Sie hatte mich nicht nur durchschaut, sondern auch noch gefoppt. In entspannteren Zeiten hätte ich ihr mit einem Lachen zu ihrem Interesse an meiner Hygiene, die Stoffwechselendproduktion betreffend, gratuliert. Heute fühlte ich mich einfach nur schlecht. Die automatische Glastür ratschte schon vor mir auf, ich wähnte mich schon fast der Peinlichkeit entkommen, da hörte ich hinter mir Absätze hart über den Ladenboden klappern und eine tiefe Stimme gellte: »Mister Weller!«
    Ich drehte mich um und sah Connor Stedler, die Fotografin aus Wisconsin, die wie ein Cowboy beim Pistolenduell auf mich zustakste. In der Tat trug sie nicht nur spitze, rot-schwarze Cowboystiefel aus Schlangenleder, in die sie ihre Bluejeans gesteckt hatte, sondern einen riesigen weißen Stetson oder wie auch immer diese Cowboyhüte mit der großen Krempe heißen mochten. Ich grinste. Das war hier in der mecklenburgischen Provinz beziehungsweise abseits der hier durchaus stattfindenden Westernreiturniere oder Karnevalsfeiern mehr als mutig. Auch Karin Struck an der Kasse stand zur Abwechslung einmal der Mund offen.
    »Connor, wie geht es dir?«, begann ich mit Smalltalk. »Schön, dich zu sehen.« Gleichzeitig schüttelte es mich beim Gedanken an die   Hundemordszene . Wie sich herausstellte, war sie mit einem Taxi zum Einkaufen nach Wismar gekommen – das Moped eignete sich nicht für größere Shoppingtouren – und froh, als ich anbot, sie nach Plüschow zu fahren.
    »You know, das Taxifahren hier in Deutschland ist ein teure Sache. Ein … Spaß?«
    »Ein teurer Spaß, ja. Ist das alles, was du einkaufen wolltest?« Ich deutete auf ihren Einkaufswagen, in dem sich Kosmetika, Taschentücher, Hygieneartikel, Kerzen, Süßigkeiten, Chipstüten und Weinflaschen türmten.
    »Für heute ja. Weißt du, Valentin hat ein Auto, mit dem besorgen wir uns die allermeisten Sachen. Die Lebensmittel und so etwas.« Valentin war meiner Erinnerung nach einer der anderen Stipendiaten. »Das hier ist nur, weil ich ab und zu mal raus aus dem Dorf muss. Jara hat ein gutes Wort dafür: Schlosskoller.«
    Natürlich war es nicht nur reine Menschenfreundlichkeit, aus der heraus ich mich Connor als Chauffeur angeboten hatte. Die Fotografien dieser Amerikanerin, ihre Arbeitsweise interessierten mich. Sie war zur Tatzeit des Mordes bereits in Plüschow gewesen, hatte also durchaus Gelegenheit gehabt, unter dem Tarnmantel ihres Fotoprojekts die Aufnahmen von Ellen und den anderen Frauen zu machen. Und nun tauchte sie

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