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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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würde es wieder tun. Bald.
    ***
    »Stell dir vor: Sie haben ihn.«
    Ich sah Dietmar Holter verständnislos an.
    »Den LKW-Fahrer.« Er reichte mir das Sixpack und den Proviantkorb über die Reling. »Dein Tipp war Gold wert.«
    Die Erleichterung schoss durch meine Adern wie ein Eli-xier, meine Besorgnis um Ellens Sicherheit fiel von mir ab, schlagartig, sodass ich beinahe meinte, sie mit einem Plumpsen im trüben Wasser des Westhafens versinken zu hören. Holter machte einen großen Ausfallschritt und stieg vom Steg herüber zu mir aufs Deck. Mein Boot trug zwar den Namen meiner Frau, doch ich musste auf Ellens Anwesenheit an Bord dauerhaft verzichten, da sie schon ab Windstärke 2 seekrank wurde. So segelte ich mit Dietmar oder manchmal auch mit dem einen oder anderen meiner   Jungs und Mädels .
    »Erzähl, hat er gestanden? Konnte Luckow ihm etwas nachweisen?«
    »Nu mal nich so hastich, mien Jung. Du machst uns ja die ganzen Seepferde scheu mit deine Hibbeligkeit.«
    Wenn ich ungeduldig war, nervte mich sein Plattdeutsch kolossal. Dann begriff ich. Im Bewusstsein dessen, dass er mir, von Rechts wegen, überhaupt nichts über die laufenden Ermittlungen sagen durfte, sollten wir besser jeden Ohrenzeugen meiden. Ich würde mich gedulden müssen, bis wir das Ablegemanöver und das Hafenbecken hinter uns gebracht hatten. Es war Samstag, auf den meisten der hier vertäuten Boote waren Leute, die das inzwischen seltenere warme und zugleich trockene Wetter für einen Törn in der Wismarbucht nutzen wollten.
    Wir hatten die Fahrrinne der Hochseeschifffahrt passiert und kreuzten an der Westseite der Insel Poel in Richtung Norden. Holter saß an der Pinne, ich war die Deckshand. Hinter uns verschwammen die Türme von St. Nikolai und St. Georgen mit den Hafenkränen zu einem dunklen Strich, der die Silhouette Wismars markierte.
    »Soweit ich weiß, hat er bisher nicht gestanden – weder in der Sache mit den Fotos, noch im Mordfall Hausmann«, nahm Holter den Gesprächsfaden wieder auf. In seinen weißen Hosen, mit graumeliertem Bart und der Seglerkappe mit dem goldenen Emblem, die ihm garantiert Lisa ausgesucht hatte, hätte er auch in irgendeiner Vorabendschmonzette den ältlichen Herzensbrecher geben können. »Aber er war’s. Luckow und seine Kollegen haben ihn seit zwei Tagen und Nächten in der Mangel. Die Tätowierungen sind identisch und ein Fingerabdruckabgleich mit der Foto-CD war ebenfalls positiv. Zumindest das können sie ihm nachweisen. Wahrscheinlich haben sie inzwischen schon das bei der Hausdurchsuchung gefundene Zeug ausgewertet und Fotos im selben Stil gefunden. Ob er auch etwas mit dem Mord zu tun hat …« Holter zuckte mit den Schultern. »Der DNA-Spurenabgleich läuft noch. Da bei seinem Beruf von Fluchtgefahr auszugehen ist, bleibt er vorerst in Untersuchungshaft. Wenn wir Glück haben, wird ihn das weichkochen.«
    Das sollte mein Erkenntnisstand bleiben, bis am Montagmorgen Frau Sänger mal wieder ihrem Namen alle Ehre machte.
    »Das glaube ich nicht. Das kann nicht sein.« Sie schüttelte anhaltend den dauergewellten Kopf. Ihr sorgfältig manikürter und lackierter Zeigefinger deutete auf einen Artikel in der Lokalzeitung mit dem Foto eines Mannes, der von zwei Polizisten abgeführt wurde. Wir hatten uns in der Dienststelle eine gemeinsame Frühstückspause mit den jeweils anwesenden Kollegen angewöhnt, bei der wir gern und genüsslich, oftmals anlässlich von Artikeln in der Lokalzeitung, den aktuellen Stadtklatsch kolportierten. Ich empfand dies stets als eine Art Weiterbildung: Hatte ich mich in den sieben Jahren, die ich nun hier lebte, zwar noch immer nicht so ganz an die beinahe ekstatisch brodelnde Gerüchteküche Wismars gewöhnt, so diente sie mir dennoch als Möglichkeit, das Naturell ihrer Einwohner immer besser zu verstehen.
    Annika reagierte erwartungsgemäß, während Bernd, Gerlinde und ich schweigend auf das Zeitungsblatt linsten.
    »Was denn, Frau Sänger?« Wir Bewährungshelfer duzten uns zwar, doch Hildegard Sänger hatte sich gegen jeden Vorstoß in dieser Richtung resistent erwiesen. Sie siezte uns – ihre ›Dienstherren‹ – also siezten wir sie.
    »Säuremörder gefasst?«, deklamierte sie in empörtem Falsett, während wir an unseren Kaffeebechern nippten und an den belegten Brötchenhälften knabberten, die einer von uns im wöchentlichen Wechsel bei der nahgelegenen Konditorei mit dem lustigen Namen   Senf   für alle besorgte.
    »Verdächtiger im Mordfall

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