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Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
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Bildschirm, klickte eine Datei an. Aus den unter dem Tisch stehenden Boxen begann Barjazz zu erklingen.
    »Ein wenig Musik.« Weniger eine Frage als eine Feststellung. Sie setzte sich neben mich, klickte weiter und auf dem am Laptop angeschlossenen, großen Monitor erschien die erste ihrer Fotografien, wurde nach einigen Sekunden von der nächsten abgelöst.
    »Bist du deswegen hier?« Sie nickte in Richtung Bildschirm, auf dem gerade die nächste Fotografie erschien – eine nackte Frau, die sich im Dunkeln mit hängenden Brüsten zu einem offenen Kühlschrank hinabbeugte, dessen Licht der Szene etwas Sakrosanktes gab. »Oder wegen etwas anderem?« Sie legte mir ihre warme Hand auf den Oberschenkel.
    Mir wurde heiß und ich nahm noch einen Schluck Bier. Seit dem Mittag hatte ich nichts gegessen. Der Alkohol legte sich mir wie ein filzbespanntes Brett direkt vor den Schädel. »Ich sehe mir deine Bilder gerne an, obwohl ich sie nicht verstehe. Sie haben etwas Tiefgründiges, Geheimnisvolles.« Mir fehlten die Worte. Sag jetzt bloß nicht ›wie du‹, nahm ich mir vor. »Wie du.«
    Sie lachte auf, mit undefinierbarem Unterton, zog ihre Hand zurück und stieß sich mit den Füßen am Boden ab. Ihr Stuhl rollte hinüber zum Fenster.
    »Es scheint, du kennst mich besser, als ich mich selbst.« Sie nahm eine flache Blechdose, in der einmal Pfefferminzbonbons gewesen waren, von der Fensterbank und begann, sich einen Joint zu drehen. »Deshalb stehe ich auf ältere Männer. Die haben so viel Weisheit in sich.«
    Fasziniert betrachtete ich ihre langen Finger, die routiniert Tabak und Cannabisblätter vermischten und ins Zigarettenpapier rollten, welches sie langsam, genüsslich, anleckte. Diese Finger hatten den Hammer oder was auch immer es gewesen war, mit dem sie den Collie erschlagen hatte, gehalten. Ich leerte mein Bier und konnte mich nicht entscheiden, ob sie mich veralberte oder das, was sie sagte, ernst meinte. Nachdem sie ihn angeraucht hatte, hielt sie mir den Joint hin. Ich lehnte ab. Das Bier machte mir schon genug zu schaffen.
    »Ich habe vor zwanzig Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Lungenzüge kann ich gar nicht mehr, fürchte ich.« Dass ich mir zu besonderen Gelegenheiten durchaus einen Joint mit Ellen teilte, würde ich dieser Frau mit Sicherheit nicht auf die Nase binden.
    »Ältere Männer.« Sie schüttelte sich mit einem lautlosen Lachen und nahm noch einen tiefen Zug. Durch das geöffnete Fenster erklangen Rufe, jemand pfiff wie nach einem Hund, dann lautes Lachen. Unten auf dem Schlossplatz genossen Besucher der Ausstellung die laue Abendluft. Connor schnappte sich einen Aschenbecher von der Fensterbank und rollte mit ihrem Stuhl wieder neben mich. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich mir überhaupt irgendetwas Konkretes vorgenommen hatte, um herauszufinden, ob sie etwas mit dem Hausmannmord zu tun haben könnte.
    Die Flirterei brachte mich nicht wirklich weiter. Eher in Teufels Küche. Connor behielt ihre spöttische Distanz, mit der sie wahrscheinlich allem und jedem gegenübertrat. Doch meine Gedanken waren vernebelt: durch das Bier, die Schwaden aus ihrer Zigarette und durch ihre Anwesenheit so nah neben mir. Doch, irgendwie fand ich sie tatsächlich anziehend. Auf eine völlig unbegreifliche Art und Weise. Denn weder hatte ich jemals in meinem mehr als 50-jährigen Leben bisexuelle Anwandlungen verspürt, noch hatte ich für extrem maskuline Frauen etwas übrig. Dass Ellen eine gute Handwerkerin war und auch mit schwerem Gerät umzugehen wusste, fand ich zwar toll. Sie war jedoch in keiner Weise ein Mannsweib, sondern hatte sehr feminine Eigenschaften, war sanft, einfühlsam, warmherzig und kommunikationsstark. Im Gegensatz zu Connor. Die wirkte nicht nur androgyn – sie war die Verkörperung dieses Worts.
    »Hast du eigentlich Marlen Hausmann gekannt?« Ich erschrak über mich selbst und harrte starr ihrer Reaktion auf meine spontane Frage.
    »Ich weiß nicht. Wer ist das?«
    »Sie hat auch fotografiert. Eine Studentin der hiesigen Hochschule.«
    »Wieso ›hat‹? Was ist mit ihr?«
    »Sie lebt nicht mehr.«
    »War sie interessant?«
    Ich zwang mich, meine Hand zu senken, die nervös an meinem Schnurrbart zerrte, und stotterte: »Hast du noch ein Bier für mich?«
    Dreißig Minuten später, die mir jedoch wie Tage vorkamen, zog ich Connors Tür hinter mir zu, die mit einem Knall ins Schloss fiel. Der gesamte erste Stock war menschenleer. Sicherlich hatten sich die Ausstellungsbesucher

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