Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weller

Weller

Titel: Weller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit
Vom Netzwerk:
inzwischen in das Kellergeschoss zurückgezogen, wo die   Schlossklause   für das kulinarische Angebot sorgte, oder sie hielten sich im Garten auf. Ich wischte mir über die verschwitzte Stirn und knöpfte die oberen Knöpfe meines Hemds zu. Noch immer meinte ich Connors glühende Hand auf meiner Brust, ihren nach Rauch stinkenden Atem auf meiner Wange zu spüren. Dabei war alles umsonst gewesen. Ich hatte nichts Neues erfahren.
    Nur fort! Gerade hatte ich den Treppenabsatz erreicht, da hörte ich hinter mir Stoff knistern. Ich drehte mich um und sah den Hausmeister, der in seinem Freizeitanzug dastand, einen gusseisernen Eimer in der einen Hand, eine Rohrzange in der anderen. Heute schienen die Leute alle hinter mir aus dem Boden zu wachsen.
    »Tachschö.« Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Ich bemerkte, dass ihm in seinem Gebiss einige Zähne fehlten. Die übrigen hatten die Farbe der Bespannung meines alten Korbstuhls. Vermutlich hatte ich es mit einem starken Raucher zu tun.
    »Guten Abend. Na, sind Sie etwa noch im Dienst?«
    »Immer, immer. An so einem alten Kasten hat man pernament etwas zu tun.« Er zuckte wie entschuldigend mit den Schultern und ich schmunzelte über seinen Versprecher.
    »Interessieren Sie sich für die Bilder?« Sein Kopf deutete auf das Gemälde, vor dem wir standen. Eine Landschaft mit Bäumen, schrägen Sonnenstrahlen und einem Pferd auf einer Wiese. Alles sehr naturalistisch, aber in der Farbgebung eigenwillig. Es überwogen blaue und violette Farbtöne, die eigentlich zu nichts des Abgebildeten passten.
    »Ja, mich faszinieren Bilder. Besonders die unterschiedlichen Arten, auf die Maler ihre Bilder malen, ihre individuelle Handschrift.«
    »Gut«, bemerkte der Hausmeister sybillinisch und verstummte mit zu Boden gerichtetem Blick. Hatte er nicht gesagt, er male auch? Es konnte nicht schaden, sich ein wenig näher mit ihm zu beschäftigen. Immerhin wusste er mit Sicherheit eine Menge über die Bewohner des Schlosses, die Stipendiaten, zu berichten. Möglicherweise erfuhr ich von ihm etwas Interessantes über Connor. Auf meine Nachfrage reagierte er erstaunlich zugänglich und bot mir an, mir gleich jetzt seine Werke zu zeigen.
    »Ich wohne da drüben. Ist nicht weit.« Eine fahrige, vage Handbewegung in Richtung Schlossplatz.
    Das Häuschen stand vorne an der Einmündung zur Straße. Im Garten weideten Alpakas, die Ellen jedes Mal, wenn wir auf dem Weg zum Schloss an ihnen vorüberfuhren, sehnsuchtsvoll betrachtete. Wäre unser Garten groß genug, hätte sie längst ein paar von diesen gemütlichen, wolligen Tieren angeschafft.
    »Sie schauen so weise«, behauptete sie. Ich fand den Blick dieser Tiere eher belämmert, hielt mich mit meinem Urteil jedoch tunlichst zurück. Außerdem sagte man ihnen nach, sie würden, wenn sie schlechte Laune haben, spucken. Ich verspürte jedenfalls absolut keine Lust, mich in meinem eigenen Garten anspucken zu lassen.
    »Sind das Ihre?«
    Der Hausmeister schüttelte den Kopf und schloss das große runde Vorhängeschloss auf, mit dem kurioserweise seine Haustür verschlossen war. »Die sind vom Nachbarn.« An der schmalen Tür hing ein ovales Holzschild, auf dem mit einem Lötkolben das Wort   Matzke   eingebrannt war. Matzke stieß die Tür auf, die wohl seit Jahrzehnten keinen frischen Anstrich mehr gesehen hatte, und stapfte voran in den dunklen Eingangsbereich.
    Das Erste, was ich wahrnahm, war der Geruch von Ölfarbe. Sehen konnte ich noch immer nichts, denn obwohl draußen die Sonne noch über dem Horizont stand, war es hier drinnen dunkel, wie in einer Gruft. Schemenhaft wuchsen Möbelstücke aus der Finsternis.
    »Ich mach Licht«, brummelte der Hausmeister und verschwand zu meiner Rechten. Einen kurzen Moment lang wuchs Beunruhigung in mir. Sollte ich mir Gedanken machen, was er wirklich von mir wollte? War er in irgendeiner Hinsicht gefährlich? Seine riesigen Hände fielen mir ein. Ein Poltern erklang aus dem Nebenraum, in den er verschwunden war. Unsinn, ermahnte ich mich. Erst einmal waren wir keine fünfhundert Meter vom Ausstellungstrubel im Schloss entfernt. Was sollte mir hier also schon passieren? Offensichtlich war er einfach ein Sonderling, ein Depp, wie es ihn in jedem anständigen Dorf gibt. Verschroben, in sich gekehrt und weitgehend isoliert. Und nun hatte er in mir eine gute Seele gefunden, in die er genügend Vertrauen gefasst hatte, um ihr seine malerischen Ergüsse vorzuführen. Das war

Weitere Kostenlose Bücher