Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
Kostüme und Tänze vor den Touristen, begäben, die sich um diese Jahreszeit massenweise in den Waldhügeln aufhielten.
Es war noch immer hell, als man auf kurvenreichen Straßen in die Wälder und Berge hinauffuhr.
Die schweigsamen Fahrer und ihre in den Wagen sich drängenden Gäste blieben so ernst, wie sie diese Fahrt angetreten hatten, und wer nicht am Steuer saß, ließ die Gedanken um die Wälder und Hügel spielen, die einst das Kerngebiet des Stammes und in heißen Kämpfen umstritten gewesen waren.
Das Gelbfeuer am Horizont verblich, der Wind strich durch die Kronen der Kiefern. Die fremden Wagen fuhren ab oder suchten die Campingplätze und den Parkplatz des bekannten Hotels auf. Die Straßen wurden völlig leer.
Joe lenkte von der betonierten Fahrbahn ab, in einen unbefestigten Weg ein, an dem man ungestört und gebührenfrei parken konnte. Alle stiegen aus. Aus den Kofferräumen kamen der bescheidene Proviant, bei vielen Wagen auch große Packen von Lederkleidung hervor. Der gemeinsame Fußmarsch begann in einer langen Reihe; Joe King führte wieder. Bei Hugh und Cora Mahan fanden sich die fünfzehn Elf- und Zwölfjährigen, sechs Mädchen und neun Jungen ein, die als Sitzenbleiber von der Schule abgehen wollten, falls sie gezwungen wären, die fünfte Klasse unter Wyman zu wiederholen.
Der Weg durch den Bergwald war etwa eine Stunde weit. Die Füße fühlten Erde, Reisig und Steine, die Lungen atmeten die Luft, aus Waldgeruch und Wind gemischt, das Ohr nahm die leisen Geräusche des Wanderzuges selbst und da und dort das Rascheln von Getier auf, das flüchtete und sich verbarg. Als ein vorspringendes Plateau zu Füßen eines kahlen Gipfels erreicht war, hielt Joe Inya-he-yukan King an. Der Abend des langen Sommertages war auch auf dieser Höhe noch schmeichelnd warm. Die Schar der neunzig Männer, Frauen, Kinder, Burschen und Mädchen, die mitgenommen worden waren, bildete einen weiten Kreis. Sie lösten ihre Packen auf und legten ihre Festkleider an, die sie von Eltern und Großeltern geerbt oder sich auch mit Mühe und Ausdauer selbst neu gefertigt hatten. Wer kein indianisches Kleid besaß, trug doch ein indianisches Abzeichen. Angesehene Männer, die berechtigt waren, die Adlerfederkrone zu tragen, nahmen sie aufs Haupt. Mutter Mahan hatte ihrem Sohn Wasescha die Kleidung seines Vaters, eines Kriegers und Anführers, mitgesandt; der Rock war reich mit den Fäden aus Stachelschweinsborsten bestickt; Wasescha legte ihn zum erstenmal an. Den Kopfschmuck des Vaters aus Adlerfedern wollte Hugh Wasescha jedoch nicht aufs Haupt nehmen, da er ihm nicht zukam. Joe Inya-he-yukan, der als heimlicher Häuptling des Stammes selbst die Adlerfederkrone und die Adlerfederschleppe trug, achtete und bejahte Hugh Waseschas Entscheidung, und Hugh nahm das Stirnband um, das die Symbole des Donnervogels und des Tipi zeigte. Er war überrascht, als er Magasapa in dem langen bestickten Lederkleid sah, das Queenie Tashina für sie mitgebracht hatte; das »Schwarze-Wildgans-Mädchen« trug ihr Haar offen, in der Mitte gescheitelt, nur von dem Stirnreif mit dem Zeichen des Tipi gehalten; sie wirkte wie Queenie Tashinas Schwester, ein wenig schmaler, ein wenig größer. Wasescha nahm das Bild in sich hinein. Als sich alle im Rund auch äußerlich verwandelt hatten und der Himmel auf ein Indianerlager herunterblickte, war die große Ledertrommel schon aufgestellt; vier Männer als Trommler deuteten mit den ersten leise klingenden Trommelschlägen an, daß das Fest beginnen würde, und die vier Sänger setzten mit dem Gesang in hohen Tönen ein.
Alle erhoben und ordneten sich zum einleitenden Tanz; voran gingen die Würdenträger, den Beschluß machten die Frauen und Kinder. Den Schritt zum Trommelschlag kannte jeder; Cora Magasapa hatte ihn schon als Fünfjährige gemacht, Hugh Wasescha hatte in dem Indian Center von Chicago, in dem die Heimatlosgewordenen sich regelmäßig zu ihren alten Tänzen versammelt hatten, alle Tanzarten gelernt. Der Trommelrhythmus ging in Nerven und Muskeln; zum erstenmal seit ihrer frühen Kinderzeit konnten sich Wasescha und Magasapa wieder ganz eins fühlen mit den Männern, Frauen und Kindern ihres Stammes, mit der Trommel und mit dem Gesang der Ewigkeit und Wiederkehr von Tag und Nacht, Sommer und Winter, Leben und Tod. Es war ein kräftiger Rhythmus, der durch die Tänzer durchschwang. Als der einleitende Tanz, der den Stamm und seine alte Ordnung darstellte, beendet war, fanden sich die
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