Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
wurden. Erinnern Sie sich an die Rede unseres Präsidenten!«
»Abgetretenes Land! Darüber müssen Sie selbst lachen, Ball. Wir hätten die Roten zusammenschießen können. Wir haben sie leben lassen und bezahlen für unsere Dummheit.«
»So denken Sie! Und sind doch Lehrer für Indianerkinder geworden. Wie merkwürdig das Leben manchmal spielt.«
Wyman schaute Ball von der Seite an; er ahnte einen Hintersinn in dessen Worten.
Gegen neun Uhr abends verabschiedete sich Ball. Auf dem Heimweg, der nur hundert Meter betrug, traf er Cargill, offenbar nicht zufällig. Der junge Lehrer schien auf ihn gewartet zu haben.
»Kommen Sie mit, Cargill, ich bin sonst zu allein, und Sie sehen mir heute zu bleich aus.«
Es ergab sich, daß Ball mit seinem Gast in dem Zimmer Platz nahm, in dem Hugh und Cora Mahan gewohnt hatten. Ball war sich nicht bewußt gewesen, daß er dorthin lenkte; seine Füße hatten wie selbständig gehandelt.
Cargill lehnte ab, etwas zu sich zu nehmen; er mochte sich auch nicht setzen. Er war jetzt zu erregt und wollte sofort sprechen.
»Mister Ball, ich habe vorhin erfahren, daß Mahan nicht eingestellt wird. Wenn von unserer Seite nicht sofort etwas geschieht, schäme ich mich so, daß ich nicht mehr zu arbeiten vermag. Mahan war unser bester Lehrer; ich habe ein Schuljahr hindurch mit ihm zusammen gearbeitet und weiß es. Wenn Miss Hay und Warrior aufrichtig sind, werden sie zugeben, daß er auch unser bester Erzieher war. Ihn davonjagen und Wyman, den Schülerschinder, ungeschoren lassen! Halten Sie das aus? Können, Sie dazu schweigen? Sie können es nicht, Mister Ball, so wenig wie ich! Wenn schon dieser manipulierte Stammesrat keinen Finger rührt und die Eltern der Schüler keinerlei Rechte haben, einzugreifen, dann müssen wir es tun, wir Lehrer!«
»Cargill! Sie werden bei Snider keine Zustimmung finden!«
»Selbstverständlich nicht, denn er ist ja eingesetzt worden, um die Linie Carr zu vertreten. Ich schreibe direkt nach Washington. Der Leiter des Büros ist ein Indianer!«
»Ein Indianer in dem Spinnennetz der Bürokratie. Je mehr er sich zu rühren versucht, desto hoffnungsloser wird er verstrickt.«
»Das muß sich erst noch zeigen. Mein Brief ist geschrieben. Hier, lesen Sie, Mister Ball. Und bitte unterschreiben Sie mit.«
Ball nahm das Blatt, setzte sich, las und faltete das Papier wieder zusammen.
»Cargill, damit riskieren Sie Ihre Stellung.«
»Lieber die verlieren als meine Selbstachtung. Irgendeinen anderen Job wird es für mich im großen Amerika noch geben, und wenn nicht, dann eben in einem anderen Land.«
»Sie verstehen, Cargill, daß ich nicht mit unterschreiben kann. Ein Brief von Ihnen an den Hohen Kommissar ist eine Privatangelegenheit. Ein Brief mit zwei Unterschriften ist bereits eine Petition, eine Beschwerde, die wir zuerst Snider, Bilkins und Carr vorlegen müßten, ehe wir den direkten Weg nach Washington einschlagen.«
»Snider weiß von dem Inhalt.«
»Und?«
»Er hält mich für verrückt. Für indoktriniert, zu falschen Meinungen verführt von Mahan. Aber dieser Brief geht ab. Verlassen Sie sich darauf.«
»Cargill, wollen Sie Ihre Schüler verlassen?«
»Mister Ball, wollen Sie noch weiterhin Kinder an Wyman ausliefern? Solche Möglichkeiten müssen unmöglich gemacht werden, einfach unmöglich! Clyde Carr hat vollkommen recht. Die Indianer müssen ein Selbstbestimmungsrecht über die Schulen ihrer eigenen Kinder erhalten; das gehört zu ihren Menschenrechten als Minorität. Wie die Indianer selbst denken, haben Sie ja eben erlebt. Ich finde diese Demonstration des Unsichtbarwerdens großartig.«
»Wie die Indianer denken? Zu den Indianern gehören auch der große indianische Rancher Whirlwind, der manipulierte Stammesrat und der oft betrunkene Chief-President Jimmy White Horse.«
»Hoffentlich werden diese Leute bald aus ihren Ämtern vertrieben. Sie haben unseren sechzehn erfolgreichen Senioren noch nicht einen einzigen Job in Aussicht stellen können. Jerome Patton hat seine Lehrstelle durch King erhalten, Julia Bedfort geht zu ihrem Bruder Gerald auf die King-Ranch, um mit dem Baccalaureat Kühe zu hüten und sich ihr Essen und das Dach über dem Kopf zu verdienen. Burt, unseren besten Schüler, habe ich für ein Collegestipendium vorgeschlagen, aber Carr gibt seine Unterschrift nicht. Alice wollte in der Kunsthandwerksschule anfangen, aber Miss Bilkins erklärt, es sei unsicher, ob diese überhaupt weitergeführt werden dürfe. Vierzehn
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