Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
einigen Drinks und einem Wildwest-Fernsehspiel schon gute Nacht gesagt und war zu Bett gegangen, aber Mac Lean senior drehte sich schlaflos von der linken auf die rechte Seite, endlich in die Rückenlage und beobachtete seine beiden Söhne, die genauso wenig schliefen wie er selbst und ihrem Vater vergeblich durch das Schließen der Augenlider Schlaf vorzutäuschen suchten.
Im Zimmer nebenan knarrte ein Bett, und Frauenstimmen flüsterten. Mrs. Mac Lean unterhielt sich mit ihren Schwiegertöchtern.
Die Sommerhitze, die tagsüber in das Holzhaus eingeflossen war, wollte auch in der Nacht nicht daraus weichen, obgleich einige Fenster halb hochgeschoben waren und die kühlere Luft mit den Vorhängen spielte. Der Mondschein leuchtete durch den dünnen Stoff und zog einen hellen Strich über die Wolldecke, unter der sich Mac Lean seniors lange Gestalt abzeichnete. Er betrachtete seine eigenen Konturen und war nicht unzufrieden. Noch immer konnte er von sich sagen, daß er ein stämmiger, kerniger Mann sei, ein muskulöser Körper und ein entschlußkräftiger Charakter, ein Viehzüchter von alter Art. Die Vaterfigur des Fernsehspiels, das eine Stunde zuvor abgerollt war, hatte ihm gefallen; er spiegelte sich darin. Als Kind war er auf einer kleinen Ranch aufgewachsen, hatte schon als Junge gearbeitet, Pferde zugeritten, Vieh getrieben und gehütet, dem Großvater und dem Viehhändler zugehört, wenn sie feilschten, von eben diesem Großvater die Hiebe bezogen, die der Vater nicht mehr geben konnte, weil er bei einem Unfall früh gestorben war. Die Schwestern hatten geheiratet, die Brüder waren in die Stadt gezogen. Philip war an der Ranch oder die Ranch war an ihm hängengeblieben, wie man es nehmen wollte. Eine kleine Ranch zu führen war bei der überlegenen Konkurrenz der großen Rancher hartes Brot, und Philip wurde ein derber und rechthaberischer Mensch, auf seinen Erfolg bedacht. Die Möglichkeit, Indianerland billig zu pachten, hatte ihm aufgeholfen. Er verachtete von ganzem Herzen die Indianer, die nicht das Geld aufbrachten, um selbst etwas aus ihrem Lande zu machen, und er kam nie darüber hinweg, daß dieses Volk keine Steuern zu zahlen brauchte. Vom ersten Tag an war Feindschaft zwischen ihm und ihnen gesetzt. Er verfolgte und beschuldigte sie aller Laster und Untaten, die er erleben oder erfinden konnte, und sie stahlen ihm zur Vergeltung Vieh, wenn er die Augen nicht überall hatte. Nur zu zwei Indianerfamilien hatte der alte Mac Lean ein erträgliches Verhältnis gefunden, zu den Booths und zu den Whirlwinds, denen vermögendere Frauen, ein Halbblut und eine Weiße, etwas Geld und damit mehr wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eingebracht hatten. Dagegen haßte er den Selfmademan und Vollblutindianer King. In solcher Luft zog er seine Söhne auf, die seinen Wünschen und Ansprüchen nie zu genügen vermochten. Mit dem älteren Sohn Howard mochte es noch angehen, aber der jüngere hatte eine Frau aus der Stadt geheiratet, die nicht nach alter Art mitarbeiten wollte und sich vor der Einsamkeit der Prärie graute, die das Ranchleben stupide und unerträglich nannte und ihrem Mann täglich in den Ohren lag, doch endlich wegzuziehen. Der jüngere George hatte sich mit Alkohol und einem Weib getröstet, das nicht den besten Ruf genoß. Nun, diese Blamage war vergeben, wenn auch nicht vergessen; die grünäugige Esmeralda existierte nicht mehr. George hatte jetzt eigenes Pachtland, er hatte Vieh, er hatte eine Zucht von Rodeostieren angefangen oder genauer gesagt, der Vater hatte das alles für ihn arrangiert. In Wahrheit war es zuviel für den alten Philip Mac Lean, noch einmal eine Ranch aufzubauen und sich mit mehr als 50 Jahren wie ein Junger zu schinden, sich dabei über seine Cowboys sowie über indianische Nachbarn von neuem bis zu der Weißglut zu erhitzen, die seinen verkalkenden Adern gefährlich werden konnte. Zwei Cowboys! Wenn George hätte mitarbeiten wollen, wie es sich gehörte, brauchte man nicht einen einzigen.
Philip Mac Lean betrachtete noch immer seine angeblich schlafenden Söhne, die mit ihren Frauen für einige Tage bei ihm zu Gast waren, und setzte sich endlich im Bett auf, um eine Zigarette zu rauchen.
»Hallo, George! Du schläfst nicht!«
»Dad?« antwortete der ältere Sohn, der nicht angesprochen war, von seiner Schlafstatt her.
»Du warst nicht gemeint, Howard, aber vielleicht ist es besser, wenn wir das unter uns besprechen. Was sagst du zu der Sache mit den schwarzen
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