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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sich und miteinander eins. Ich kann nicht ganz eins sein, auch nicht mit mir selbst. Ich kann nicht einmal den Schecken reiten, obgleich ich alle Künste des Reitens viel besser verstehe, als Magasapa sie je erlernen konnte. Ich bin klein und unsicher und herausfordernd. Das ist alles, was ich bin.«
    Jerome sagte nichts.
    »Jerome, magst du mich trotzdem?«
    »Ich liebe dich. Das ist alles, was ich weiß.«
    »Würdest du mich aus dem Tipi fortgehen lassen, um Ken und seinen Freunden zu helfen, wenn sie etwas Großes tun?«
    »Du würdest zurückkehren, wenn ihr es getan habt.«
    »Ja, ich würde zurückkehren.«
    »Weil du noch immer Hugh Wasescha liebst, der bei seinem Stamm bleibt. Und vielleicht liebst du durch Wasescha hindurch auch Inya-he-yukan, der reiten und schießen kann wie ein Krieger. Aber das weißt du selbst nicht.«
    Tatokala stützte die Stirn in die Hände, um ihr Gesicht zu verbergen.
    »Jerome! Ken und du zusammen, das wäre Hugh Wasescha. Es ist, als ob er, in euch beide geteilt, noch einmal da sei…«
    »Für dich. Nun, Tatokala, ich bin ein friedlicher Gärtnerssohn und werde nie ein guter Cowboy werden. Aber ich will lernen, meinem Volke zu helfen, und ich liebe dich. Gib mir die Hälfte von dir, die bei unserem Stamm bleibt, und sei die Mutter unserer Kinder. Wir sind miteinander in die Schule gegangen, und wir werden hier zusammen leben. Ich habe gesprochen.«
    Julia Tatokala setzte sich dicht zu Jerome. Er legte den Arm um sie, und so schauten sie miteinander in den Sommermittag hinein, in die dürren Wiesen, nach dem weidenden Vieh; sie hörten das Summen der Insekten um die letzten noch nicht vertrockneten Blüten. Diese Stunde blieb für sie zeitlos, aus dem Tag und allem fließenden Erleben, aus allem unruhigen Streiten herausgehoben; sie waren jung, der Himmel war hell, der Wind huschte mutwillig um die Gräser und um Tatokalas offenes Haar, ohne seine Macht und Strenge zu zeigen.
    Die Sonne zog ihre Bahn vom Zenit abwärts, die Strahlen glitten schräg über die Erde, das Vieh lag wiederkäuend in den Wiesen, der Wind wurde steifer. Julia und Jerome standen auf und gingen miteinander zum Haus. Hugh und Cora waren schon zu der King-Ranch zurückgeritten und hatten Hanska und seine beiden Freunde mitgenommen. Gerald hatte auf seine Schwester Julia und auf Jerome gewartet. Er war vergnügt und lachte die beiden an.
    »Jerome, du wirst auch noch ein Cowboy werden, in dir steckt etwas drin. Ich lasse dir mein junges Pferd da, den Sohn der Appalousa-Stute, und nehme mir deins. Ein Reiter wirst du nur mit einem prächtigen wilden Pferd, auch wenn du erst ein paarmal herunterfällst. Mach’s gut!«
    Gerald schwang sich auf, grüßte noch einmal und galoppierte fort. Er schlug nicht die Richtung zu den Behausungen der King-Familie ein, sondern ritt zu den Weiden der schwarzfelligen Kühe und ihres Stiers. Proviant hatte er in der Satteltasche. Er wollte die Sommernacht bei der Herde verbringen. Sobald er sie erreicht und sich einen Lagerplatz gesucht und eingerichtet hatte, überdachte er, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, noch einmal die Ereignisse des vergangenen Tages. Lange blieben seine Gedanken bei der Vorstellung hängen, daß seine Schwester Julia sich Jerome Patton als Mann wählen könne. Es war nicht zuletzt diese Möglichkeit, die ihn veranlaßt hatte, Jerome ein tolles Pferd zu geben. Mochte er sich doch versuchen und erproben, ob er eine Tatokala freien dürfe. Gerald hatte schon mehr als genug Abenteuer mit Pferden hinter sich gebracht und fühlte keinerlei Gewissensbisse, wenn er dem Neuling eine schwierige Aufgabe stellte. Joe selbst konnte nichts dagegen haben. Was aber die Sache mit den drei schwarzen Stieren anlangte, so vermochten sich Geralds feindselige Empfindungen gegen die Mac Leans und ihre Cowboys kaum mehr zu steigern; der Zorn und endlich der Haß hatten sich im vergangenen Winter genügend in ihm festgefressen. Die Mac Leans verdienten einen Denkzettel. Gerald begann zu planen. Es litt ihn dabei nicht am Platze. Er stieg noch einmal auf und umritt auf ungesatteltem Pferd die Herde. Dabei kamen ihm allerhand Einfälle, doch war er mit keinem ganz zufrieden. Er suchte seinen Lagerplatz wieder auf und schlief nach Mitternacht ein.
     
    Die Familie Mac Lean, der Geralds feindselige Gedanken galten, hatte zu der gleichen Zeit in ihrem Ranchhaus im Tal der Weißen Felsen noch keine rechte Ruhe gefunden. Zwar hatte man sich nach einer einfachen Mahlzeit,

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