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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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seinem Pony auf einem Stammes-Rodeo im Wettbewerb mit erwachsenen Reitern einen Preis gewonnen und war schon ein Lehrer in vielen Reitkünsten für künftige Rodeocowboys. Mit ihm besprachen Stan und Stephe aber auch die Aufgabe, aus dem Sumpfloch bei der Hütte der Mahans, in dem zwei Geschwister Hughs umgekommen waren, doch noch einen Brunnen zu machen. Hugh Wasescha war einverstanden und wollte einen Teil seiner Ersparnisse dafür geben. Sobald wie möglich sollten Sachverständige kommen und die Arbeit beginnen, die unter den gegebenen Bedingungen immer gefährlich blieb. Joe Inya-he-yukan selbst hörte dem Plänemachen zu und warnte vor jedem Leichtsinn. Er selbst war vor Jahren auf der Adlerjagd in einem Moor eingesunken, das ihm schon die Wirbelsäule zu brechen begann, als Wakiya und Hanska, bedacht und verwegen, ihn noch retteten. Sumpfboden war heimtückisch.
    Von solchen Spielen, Geheimnissen und Plänen des Abends abgelöst, schmeckten tagsüber auch die Schreibarbeiten und Gedächtnisübungen mit Hugh Wasescha, der in keiner Anforderung nachgab und dessen scharfe Falte um den linken Mundwinkel kein Schüler hervorzurufen wünschte. Stan und Stephe gaben ihren Plan, Tramps zu werden, vorläufig auf. Am dritten Tag, nachdem Melitta sich auf den Weg gemacht hatte, war Gerald schon vor Sonnenaufgang beim schwarzen Vieh, Julia wollte zur King-Ranch reiten, um Wasser zu holen, Cora hatte die vier Kinder am Vormittag zum Unterricht dorthin gebracht. So blieb Jerome sich selbst und der Aufgabe überlassen, auf Melittas Kühe zu achten. Er ritt den Sohn der Appalousa-Stute, war mit Werkzeug und Lasso ausgerüstet und wirkte wie ein rechter Cowboy. Mit seinem jungen, an Temperament übersprudelnden Hengst hatte er sich durch Geralds Rat und Hilfe schon vertraut gemacht und kam mit dem Tier über Erwarten gut aus. Auch Julia hatte ihm schon mehrmals anerkennend zugenickt, wenn er damit über die Prärie galoppierte. Er war guter Dinge an diesem Morgen, fühlte sich jung und froh, seines über alles geliebten Mädchens sicher und seiner Arbeit mehr und mehr gewachsen. Was ihn noch bedrückte, war der Unfriede zwischen den Mac Leans und den Kings. Die Nachbarcowboys zeigten dem Neuling Jerome mit unzweideutigen Gebärden ihre Verachtung und ihren Spott, wo und wie sie ihm nur von nah oder fern begegneten. Jerome, in einem harmonischen Elternhaus unter dem Schutz der elterlichen Gerechtigkeit aufgewachsen, konnte sich mit Haß und Feindseligkeiten nur schwer abfinden. Er empfand zuweilen, daß er darin Queenie Tashina glich; auch sie wünschte immer Frieden herzustellen. An diesem Morgen nun verabschiedete sich Jerome von Julia Tatokala mit einer freundlichen Umarmung; er ritt noch ein Stück weit mit ihr in Einsamkeit und Morgensonne, und als er zurückbleiben mußte, nahm sie ihr Pferd zum kühnen Reiter-Abschiedsgruße hoch. Jerome wollte es ihr nachtun, aber der junge Hengst war nicht dazu geneigt. Vielleicht hatte er seinen Reiter auch mißverstanden. Das schlanke und geschmeidige Tier schlug hoch nach hinten aus, den Kopf zwischen die Vorderbeine nehmend; es war, was das Pferd betraf, eine hervorragende Leistung und Gleichgewichtshaltung. Der Reiter Jerome aber flog über den Hals des Pferdes ins Gras. Mit einem Fuß hing er noch im Steigbügel. Julia wendete sofort, brachte den Hengst zur Ruhe und half Jerome aus seiner mißlichen Lage heraus. Sie lächelte nicht, bagatellisierte auch nicht, sondern erklärte ernst und ruhig, daß bei solchem Verhalten eines kräftigen und entschlossenen halbwild aufgewachsenen Hengstes auch schon mancher geübte und berühmte Rodeoreiter zu Boden gegangen sei. Sie wollte Jerome vorschlagen, die Pferde zu tauschen, tat es aber dann nicht, weil sie voraus empfand, daß Jerome nein gesagt hätte. Er ahnte ihre Gedanken, und nach dem Hochgefühl des frühen Morgens war ihm jetzt zum Weinen zumute. Davon ließ er sich nichts anmerken, sondern sagte nur ebenso sachlich wie Tatokala: »Ich habe noch einiges zu lernen. Einmal fängt jeder an, und ich beginne mit dem echten Sohn zweier gefürchteter Rodeopferde.«
    Tatokala nickte, erleichtert, daß Jerome so nüchtern urteilte. Sie setzte ihren Ritt fort, während er sich wieder aufschwang und kehrtmachte, ohne daß das Pferd unruhig wurde. Es trug seinen Reiter in beschwingtem Trab über die Wiesen, die das beste Geläuf für Pferde waren.
    Julia Tatokala war schon aus Jeromes Gesichtskreis verschwunden, als er die Kuhherde Melittas

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