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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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heute nachmittag leitet er die Sitzung des Stammesrates.«
    »Also heute vormittag. Danke.«
    Mahan ließ den Mann mit der braunen Haut, dem schwarzen Haar und einem verlegen werdenden Gesicht stehen, wandte sich zu der Tür rechter Hand, die im Unterschied zu anderen Türen keine Bezeichnung trug, klopfte und trat auf das rauh klingende »Bitte« hin ein. Er befand sich damit in einem lang gestreckten Zimmer, in dessen hinterem Teil eine massige Gestalt hinter einem Schreibtisch thronte. Es war nichts davon wahrzunehmen, daß der President gearbeitet habe.
    »Hugh Mahan. President White Horse, ich habe den Mord an Jerome Patton miterlebt und war gestern Zeuge vor Gericht. Kann ich Sie über meine Kenntnisse zur Sache orientieren?«
    White Horse betrachtete seinen Besucher mißtrauisch.
    »Was suchen Sie damit hier? Das Gericht hat entschieden.« Die Stimme behielt ihren angerauhten Klang, wie er sich bei Gewohnheitstrinkern bildet.
    »Ich möchte aber Sie, White Horse, als President unseres Stammes sprechen. Joe King hat im letztmöglichen Augenblick das Leben des ihm anvertrauten Pflegesohnes Wakiya Byron Bighorn gerettet. Es wird zweifellos versucht werden, die Tatsachen zu verdrehen. Joe King und Byron Bighorn sind Angehörige unseres Stammes, und ich denke, unser Stamm selbst müßte seine Autorität dafür einsetzen, daß die Sache gerecht geführt wird. Polizeiliche und gerichtliche Befugnisse können nur zu leicht mißbraucht werden.«
    »Wie kommen Sie zu solchen Behauptungen? Wollen Sie etwa Polizei und Gericht kontrollieren?«
    »Ich bin überzeugt, daß Sie, der President, und unser Stammesrat dazu berechtigt und in der Lage sind. Daß Mac Lean freigesprochen wurde, ist eine Schande. Joe, der wahrhaft unschuldig ist, soll verurteilt werden. Es ist für einen Indianer schwer, Recht zu finden. Der Stamm muß für ihn eintreten.«
    »Der Indianer, von dem Sie reden, ist ein Gangster gewesen und hat uns schon Scherereien genug gemacht. Ich werde nicht für solche Leute meine Autorität einsetzen. Ich muß an den Ruf unseres Stammes denken.«
    »Der Indianer, von dem wir reden, ist aber heute einer der wenigen erfolgreichen Rancher unserer Reservation, Vater von gut erzogenen Kindern und Pflegekindern und immer voll Initiative für unseren Stamm.«
    »Die Sache geht mich als President gar nichts an. Wenn King wieder einmal einen Mann erschossen hat, soll er die Folgen tragen.«
    Der Ton des President klang sehr ungeduldig.
    »President White Horse, Sie sind von unserem Stamm gewählt und arbeiten also für unseren Stamm und nicht für achttausend Dollars. Was auf der King- und auf der Mac Lean-Ranch geschehen ist, wird allerdings breite Kreise ziehen und in der Öffentlichkeit besprochen werden. Ich denke, daß Sie eben darum ein besonderes Interesse an der Wahrheitsfindung nehmen; es handelt sich nicht nur um die Person von Joe King.«
    »Mahan, was heißt ›achttausend Dollars‹? Beleidigen Sie den President Ihres Stammes nicht so unverschämt! Die Angelegenheit ist Sache von Polizei und Gericht. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Fehler und nicht um die Geschäfte des President.«
    »White Horse, die Angehörigen des Stammes verlangen eine öffentliche Versammlung. Bitte die Genehmigung.«
    »Nicht meine Sache. Gehen Sie zu Carr. Wir sind fertig.«
    »Ja, White Horse, wir sind also fertig.« Mahan sagte es langsam und legte Gewicht auf jede Silbe. »Auch ich habe gesprochen.«
    Jimmy White Horse, athletisch von Gestalt, ein Breitgesicht, mit leicht geducktem Nacken, blinzelnden Augen und immer heiserer Stimme, starrte sein Gegenüber an, und es schien ihn ein Gefühl der Furcht vor einem Widersacher zu beschleichen. Er senkte den Kopf tiefer und schaute von unten herauf. Wer war dieser Mensch, den er heute zum erstenmal sah und der eine freche Sprache führte? Er glich Joe King auf eine unangenehme, auf eine herausfordernde Weise. Schlank war er, sein Gesicht war schmal und hager; seine Stimme klang klar. Er war so groß wie Jimmy, aber er wirkte größer, weil er seine Schultern aufrecht hielt. Dieser Mensch war gefährlich.
    Mahan wandte sich ab, drehte White Horse den Rücken und ging mit langen, leichten Schritten zur Tür. Als er sie hinter sich geschlossen hatte, war ihm bewußt, daß der President von Stunde an den versteckten Kampf gegen ihn mit allen Mitteln führen würde. Er war bereit, ihn aufzunehmen, da eine andere Wahl nicht blieb.
    Nach dem vergeblichen Versuch bei White Horse begab sich

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