Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
ist dafür ermordet worden.«
»Entsetzlich. Eine Mahnung an uns alle, für Gott und eine bessere Welt zu werben. Ich müßte diese beiden Masken haben.«
»Monture wird Ihnen eine Kopie für das Museum geben, wenn ich ihm von unserem Gespräch erzähle.«
»Ausgezeichnet.« Lucie Green suchte ihr Notizbuch hervor. »Die Totenmasken… von… Können Sie mir den Namen sagen?«
»Jerome Patton.«
Lucie schrieb den Namen in ihr Notizbuch ein. Dann erst stockte sie. »Was sagten Sie?«
»Jerome Patton.«
»Himmel – Jerome Patton.«
Lucie Green war in den Spaltungen zwischen ihrem Menschsein, ihrem Stolz auf Indianerblut, zwischen ihrer Natur als gläubige Mormonin und als Bürgerin von New City aufgerissen. Bisher waren diese Spalten überdeckt gewesen, und sie suchte sie auch rasch wieder zu schließen. Es durfte und konnte eine solche Kluft nicht geben. Ihre Apostel selbst waren erfolgreiche Amerikaner geworden. »Jerome Patton. Ja. Ich frage mich, ob ein Museum der Platz für Totenmasken ist. Wohl kaum.«
»Erinnert nicht alles, was im Museum ist, an Verstorbene? Auch an eine verstorbene Kultur?«
»Nicht so – an ein primitives Stadium, an eine Kindheit der Zivilisation, an die wir gern zurückdenken, wenn wir auch nie mehr darin leben möchten.«
»So scheint es.«
Lucie Green sah sich nochmals um, merkte sich einige Stücke für die Ergänzung des Museums vor, kam auf die Skizze Queenie Kings zurück und fragte endlich:
»Die Malerin Queenie King ist doch wohl nicht mit diesem Joe King verwandt, der Mac Lean erschossen hat?«
»Sie ist seine Frau. Sie haben Kinder und Pflegekinder.«
»Pflege…?«
»Waisenkinder, die sie aufgenommen haben.«
»Unsere mormonischen Familien nehmen auch Indianerkinder auf.«
»Ich habe davon einmal gehört.«
»Wir sehen uns also wieder, Missis Goodman. Wir werden Hand in Hand arbeiten, ja! Heute allerdings will ich bald zurück. Es ist zuviel Betrieb und Unruhe.«
»Es findet eine Versammlung statt. Wir haben Sorgen.«
Das Gespräch wurde unterbrochen. Julia Tatokala kam herein.
»Jeromes Verlobte«, flüsterte Irene Miss Green zu. »Sie hat mit angesehen, wie er erschossen wurde.«
Lucie entkam ein leiser Laut des Erschreckens, ehe sie ihn unterdrücken konnte. Sie erwiderte den sehr kurzen Gruß Julias freundlich, aber gedankenabwesend. Dann entschloß sie sich zu einer Frage an das herb wirkende Mädchen.
»Miss Bedford – ich höre soeben, daß Sie Augenzeuge des Vorgangs gewesen sind, bei dem Ihr Verlobter erschossen wurde. Ich bedaure zutiefst Ihren Verlust, nachdem ich seine Totenmaske gesehen habe. Wollten Sie vor Gericht nicht über Ihre Wahrnehmungen aussagen?«
»Ich war nicht als Zeugin geladen, Miss Green.«
»Sicher ein Versäumnis.«
»Es hat bei diesem Prozeß noch mehr Versäumnisse gegeben, Miss Green. Ich habe ihn mitangehört. Die Geschworenen wurden nicht gut unterrichtet, und dann konnten sie nicht einmal beraten und urteilen. Ich denke, es war eine große Schande.«
»Sicher war das letzte ein Fehler. Ja, sicher. Aber der Gedanke der Rache könnte Sie auch nicht trösten.«
»Nein, Rache tröstet nicht. Eher Gerechtigkeit. Wir hoffen trotz allem, daß Joe King sie finden wird.«
»Sie kennen ihn?«
»Ja, er ist unschuldig. Ich weiß es, denn ich bin bei allem dabeigewesen. Wenn das Gericht ihn für die Ermordung auf dem elektrischen Stuhl freigibt, wird vieles geschehen. Wir schweigen dann nicht mehr.«
»Sie denken doch nicht an Gewalt?«
»Gewalt wird von den Weißen geübt.«
»Ich begreife, daß Sie erregt sind. Sie haben einen großen Verlust erlitten.«
Lucie Green brach ab, das Gespräch wurde ihr unheimlich; es fügte sich nicht in die Vorstellung, die man sich von einer Museumsleiterin im Dienste der Verwaltung machen mußte. Sie verabschiedete sich und begab sich zu ihrem Wagen. Irene Oiseda und Tatokala verließen ebenfalls das Haus und gingen kurz hinter ihr her.
Es zeigte sich, daß Miss Green die Rückfahrt nicht antreten konnte, denn die Agenturstraße war nun für jedermann polizeilich gesperrt. Miss Green zeigte ihren Ausweis vor; der Polizeibeamte aus New City zuckte nur die Achseln.
»Aber wo soll ich denn bleiben?«
»Sie können in die Agenturgebäude hinein, aber nicht mehr heraus, und wer weiß, was heute noch alles geschieht. An Ihrer Stelle würde ich sofort wegfahren.«
»Sie versperren mir ja den Weg.«
»Muß ich. Nehmen Sie doch einen Umweg, die Straße zur 3. Tagesschule, und von da aus
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