Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg
und Wakiya.
Mac Lean senior, der um die Fünfzig sein mochte, trat an Hugh Wasescha heran.
»Hallo, Mahan! Wir nehmen uns zwei Pferde aus der Koppel und reiten mal die künftige Ranch meines Sohnes George ab. Zäumen Sie auf. Sättel brauchen wir nicht, wir sind den nackten Pferderücken gewohnt.«
Mac Lean hatte in seiner herrischen Art gesprochen, die ihm zur zweiten Natur geworden war.
»Die Pferde gehören weder Ihnen noch mir, Mister Mac Lean. Ich kann sie Ihnen nicht geben. Ich bin auch nicht Ihr Cowboy.«
»Mahan! Mein Sohn und ich sind von weit her gekommen, um das Gelände von Georges künftiger Ranch zu besichtigen.«
»Das mag sein, Mister Mac Lean, aber ich halte mich nicht für berechtigt, Ihnen für diesen Zweck Mister Kings Pferde zu leihen. Das wäre Beihilfe.«
»Beihilfe?!! Was geht in Ihrem Kopf vor, junger Mann? Können Sie genug Englisch, um zu wissen, was Sie da sagen?«
»Yes.«
»Dann sind Sie unverschämt. Beihilfe! Wo gibt es hier Räuber und Diebe?«
Die ganze Gruppe verlangsamte den Schritt. Wakiya Byron trat vor. Alle blieben daraufhin stehen. In Wakiyas Augen glänzte etwas von dem Tode Tishunka-wasit-wins. Mahan nahm es auf. »Mister Mac Lean«, antwortete er, »unsere Kinder töten sich selbst, weil ihnen das Leben unter der Herrschaft der weißen Männer unerträglich wird. In diesem Augenblick sollten Sie uns nicht noch mehr Land rauben von dem wenigen, das uns geblieben ist. In der Handwerksschule haben zehn junge Leute eine Heimat gefunden.«
»Mahan, Sie sind total verrückt. Wir rauben nicht, wir pachten. Wir zahlen! Für euch Indians ist Geld besser als Land, mit dem ihr doch nichts Rechtes anfangt. Kapiert? Wir holen uns jetzt die beiden Pferde. Mister Haverman…«
Haverman, Dezernent für Wirtschaftsfragen, mischte sich auf den Anruf hin ein.
»Mahan, was ist in Sie gefahren! Das ist nicht Ihre Ranch, und nicht Sie können hier über die Pferde bestimmen! Wo ist Missis King? Sie ist eine rote Lady und würde sich anders verhalten, als Sie es tun.«
»Missis King ist weggefahren.«
Die Spannung wuchs.
»Wer kann sie vertreten?«
»Ich habe Vollmacht.«
»Von ihr?«
»Von Mister King.«
Die Damen der Superintendentur stellten sich zu Haverman und den beiden Mac Leans. Krause, Wakiya und Oiseda standen zur Seite Mahans. Im Hintergrund drängten sich die zehn Lehrlinge eng zusammen.
»Von Joe King!« Mac Leans Stimme ging vom Lauten zum Dröhnenden über. »Sie haben den Burschen noch gesprochen?«
»Wen habe ich gesprochen?«
»Mister King.«
»Ja, ich habe ihn gesprochen.«
»Ah, Mahan, Sie haben King gesprochen! Jetzt begreife ich alles. Sie waren also auch informiert, als er der Reservation die Büffel stahl, sie bei Nacht und Nebel fortschaffte. Und in seinem Namen wollen Sie uns jetzt verbieten, zwei Pferde zu leihen und zu besichtigen, was wir künftig bewirtschaften werden? Sind Sie ganz des Teufels? Wir bringen Kings Gäule nicht um.«
»Nein, sicher nicht. Eher umgekehrt.«
»Haverman, greifen Sie doch ein«, forderte Mac Lean noch einmal.
Haverman wurde rot, sein Puls ging schneller. »Es tut mir leid, Mister Mac Lean. Aber Privateigentum ist Privateigentum.«
»So? Das Allerneueste, Mister Haverman. Auf einer Reservation ist jeder Indianer dem Superintendent unterstellt. Sollen wir etwa morgen übernehmen, was wir heute nicht besichtigen dürfen? Mahan, nehmen Sie jetzt Vernunft an. Wir sind von weit her gekommen.«
»Unangemeldet.«
»Red boy – es wäre für uns ein Kinderspiel, Sie beiseite zu stellen, trotz Ihres Colts, und uns die Pferde zu leihen.« In Mac Lean war der Jähzorn aufgestiegen. »Wir holen uns zwei Pferde. Versuchen Sie nicht, uns daran zu hindern.«
»Ich habe gesprochen.« Mahan ging zur Koppel und stellte sich vor den Eingang. »Mister Mac Lean, wenn Sie hier Pferde leihen wollen, kommen Sie, sobald Mister King zurück ist.«
Miss Bilkins trat dicht vor Mahan. »Mahan, Sie sind als Erzieher der Schulverwaltung unterstellt. Ich ordne an, daß Sie für die Herren Mac Lean sofort zwei Pferde für einen Besichtigungsritt zur Verfügung stellen. Mit dem Wagen kann man auf den Weiden nicht fahren.«
Mahan rührte sich nicht. »Miss Bilkins, mit allem Respekt: Es ist Sonntag, und ich befinde mich hier nicht im Dienst der Schulverwaltung. Mister King hat mich gebeten, den Frauen und Kindern, wenn nötig, beizustehen, da auf dieser Ranch hier im Augenblick außer mir kein einziger Mann mehr ist.« Es war
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