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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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machte sich auf den Weg zum Supermarket, der an der Straße der Bürohäuser lag. Mahan, letzter, obgleich er neben dem Fahrer gesessen hatte, ging zu dem Dezernentenbüro. Es war aus roten Ziegelsteinen neu erbaut. Mahan betrat die Korridore mit den weißgetünchten Decken und Wänden, klopfte an die Tür des Schuldezernats und trat ein.
    Miss Bilkins mit den hellen Haaren saß an einem Schreibtisch aus hellem Holz; eine Barriere trennte sie von dem Besucher. Mahan nahm den ledernen Hut ab und wartete stumm. Es war das dritte Mal, daß er zu Miss Bilkins bestellt war. Das erste Mal hatte sie ihm das Collegestudium vorgeschlagen, das zweite Mal eine Anstellung im Agenturbüro. Das dritte Mal – nun, man würde sehen. Noch war kein Polizist im Raum.
    Miss Bilkins formte einige Male an den Worten, die sie sagen wollte, ehe sie endlich begann.
    »Mister Mahan, Sie waren auf Probe angestellt. Sie verstehen, daß ein Erzieher sich nicht nur im Dienst, sondern in seiner gesamten Lebensführung zu bewähren hat. Sie haben sich jedoch eines schweren Vergehens schuldig gemacht. – Leider. Ich stelle Ihnen anheim, selbst um Ihre Entlassung aus dem Dienst nachzusuchen.«
    Mahan schwieg.
    »Sie werden also ein Gesuch um Auflösung ihres probeweisen Dienstverhältnisses einreichen.«
    »No.«
    Miss Bilkins runzelte die Stirn. »Wollen Sie uns zwingen, gerichtlich gegen Sie vorzugehen?«
    »Yes.«
    »Mahan! Sie haben einen auf der Reservation ansässigen Bürger tätlich angegriffen. Wenn Mister Mac Lean und wir Anzeige erstatten, gehen Sie drei Jahre ins Gefängnis.«
    »Ich habe mich verteidigt. Mac Lean hatte Sie beiseite gestoßen und mich angepackt. Ich habe mich frei gemacht, ohne ihn zu verletzen.«
    »Von Anpacken habe ich nichts gesehen, Mister Mahan.«
    »Miss Bilkins, Sie waren gestolpert und reichlich verwirrt. Natürlich haben Sie nichts gesehen. Es gibt aber zuverlässige Zeugen.«
    Die Dezernentin spielte mit einem Kugelschreiber. Ihre Gedanken arbeiteten, ihre Lippen und ihre Stirnhaut drückten das mit leisen Bewegungen aus. Einmal zuckten ihre Ohren. »Mister Mahan, Sie sind auf Probe eingestellt. Die Berichte lauten nicht günstig.«
    »Die Schulrätin war mit meiner Gruppe durchaus zufrieden. Wenn Sie mir fristlos kündigen, lege ich Beschwerde ein, und da Sie mir ein Vergehen vorwerfen, verlange ich die gerichtliche Klärung. Ich habe gesprochen.«
    »Mahan! Wollen Sie durchaus ins Gefängnis? Sie haben sich sehr verändert. Und was heißt das, fristlose Kündigung?«
    »Rektor Snider hat mich aufgefordert, meinen Koffer zu Packen.«
    Miss Bilkins legte den Kugelschreiber beiseite. »Ich hatte Mister Snider gebeten, Sie zu einer Unterredung hierher zu schicken. Weiter nichts. Ein Mißverständnis. Aber ich halte es tatsächlich für besser, wenn Sie unter den gegeben Umständen aus dem Schuldienst ausscheiden. Sie haben nicht mehr die Gesinnung, die wir für einen Erzieher brauchen.«
    »Wollen Sie mir das bitte nachweisen. Ich denke, es ist besser, wenn ich vorläufig noch an dieser Schule aushalte.«
    »An dieser Schule aushalte! Mahan! Sie haben zwölf Jahre Schule und drei Jahre College auf unsere Kosten genossen. Dafür dankbar zu sein, ist Ihnen wohl nie in den Sinn gekommen?«
    »Wenn ich alles das, was ich genossen habe, in der rechten Weise vergelten wollte…« Mahan brach ab.
    »Ihre Probezeit läuft noch vier Wochen, Mahan. Ich lasse Ihnen diese Bewährungsfrist. Nutzen Sie sie. Nach dem Endbericht von Rektor Snider werde ich entscheiden, ob Sie bei uns weiterarbeiten können.«
    Mahan schwieg.
    Da Miss Bilkins ihren Schreibtisch abräumte, nahm er seinen Hut und ging mit einem kurzen Gruß.
    Als er das Bürohaus verlassen hatte, schaute er sich um. Beim Postamt stand Tatokala zusammen mit einer jungen Frau. Diese kam auf Mahan zu und lud ihn ein, in ihrem Haus zu übernachten. Es war Yvonne Morning Star junior. Die drei gingen zusammen in die Indianersiedlung.
    Als Miss Bilkins das Bürohaus verließ, waren sie nicht mehr zu sehen. Sie schloß ihren Dienstwagen auf und fuhr über die Straße zu dem Hause Kate Carsons. Es zog sie heute dorthin. Freundlich wie immer empfangen, ließ sie sich auf dem Stuhl nieder, den sie schon gewohnt war. Kate bereitete ein kleines Dinner. Während Eve mechanisch ihren Drink nahm und dann ein Schnitzel mit Salat verspeiste, redete sie nicht, sah auch Kate nicht an, sondern starrte, soweit sie die Augen hob, nach der Wand, die ihrem Blick im Wege stand. Sie

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