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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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würde geschehen?
    In der folgenden Stunde erklärte Hugh Mahan den Kindern, daß er nicht bei ihnen bleiben dürfe, daß er aber weiter an sie denken wolle. Wenn auch sie ihn nicht vergessen würden, sollten sie gut lernen, damit sie später einmal ihrem Volk helfen könnten. Als er das gesagt hatte, spürte er, daß sie ihm nicht glaubten, sondern sich von ihm wegwandten. In ihren Gesichtern stand eine Frage geschrieben. Als Hugh fühlte, daß ein Junge zu sprechen bereit war, bat er ihn, es zu tun, und das Kind sagte: »Mister Mahan, Sie haben gut gelehrt. Aber Sie dürfen uns doch nicht weiter helfen.«
    »Es ist wahr, was du sagst. Ihr müßt euch jetzt selbst helfen. Ihr bleibt in eurer Gruppe zusammen. Helft einander.« Das versprachen sie.
    In der Mittagspause, nach dem Essen, hatte Ron Warrior es eingerichtet, daß er mit Mahan zusammen die Aufsicht auf dem Spielplatz vor der Schule hatte. Die beiden Erzieher gingen miteinander die Runde, und Mahan berichtete Ron von den sechzehn, machte Vorschläge, wie er sie nun eingliedern sollte. Zu dem Gespräch kam Lehrer Ball eilig herbei.
    »Mahan, was haben Sie bloß gemacht?«
    Hugh zuckte die Achseln.
    »Was werden Sie jetzt machen?«
    Hugh zuckte die Achseln.
    »Es ist eine Katastrophe. Snider ist unzugänglich; ich habe nichts von ihm über die Sache erfahren können.«
    »Ich auch nicht, Mister Ball.«
    Im stillen aber dachte Hugh: Sie wollen mich nicht vor den Schülern verhaften. In den Büros der Agentursiedlung bleibt es unbemerkt, und das Gefängnis ist nah.
     
    Bei Schulschluß ging er noch hinüber auf den Sportplatz, auf dem ihn die Internatsschüler erwarteten. Er teilte ihnen mit, daß der Sport heute ausfalle, da er noch in der Agentursiedlung zu tun habe.
    Die Schüler schienen das schon gewußt zu haben. Sie sagten nichts, entfernten sich aber auch nicht, sondern standen unbeweglich beieinander wie eine in Stein zusammengemeißelte Gruppe. Sie gehörten verschiedenen Altersklassen an, von 14 bis 20 Jahren, Mädchen und Jungen. Mahan hätte Good-bye sagen müssen, denn der Schulbus, der zur Agentursiedlung fuhr, stand bereit, und die Schüler, die bei der Siedlung wohnten, begannen schon einzusteigen. Aber das Schweigen der Sportgruppe, die sich noch immer nicht rührte, hielt ihn fest; es war ein herausforderndes Stummsein und eine beredte Regungslosigkeit.
    Schließlich trat ein Mädchen vor. Sie war eine Schülerin der Abiturklasse, achtzehn Jahre alt, gut als Läuferin, beliebt in der Basketball-Gruppe. Das schwarze Haare trug sie gescheitelt, lang über die Schultern fallend. Um ihrer schlanken Gestalt und ihrer schnellen Füße willen hatte sie als Indianerin den Namen Tatokala-win erhalten, Antilopenmädchen; doch nannten ihre Mitschüler sie auch Taga, rauh und bitter, denn sie war herb gesonnen und für die Liebe der Jungen unzugänglich. Hugh nahm an, daß sie von der Gruppe als Sprecherin gewählt war, und wartete. Sie sagte aber nichts weiter als: »Ich habe mir bei der Internatsverwaltung Einkaufserlaubnis geholt. Ich fahre mit dem Schulbus in die Agentursiedlung. Dort übernachte ich bei meiner Kusine Yvonne Morning Star. Sie bringt mich morgen zurück.«
    Die anderen Mitglieder drückten mit einem halben Nicken oder auch nur mit einem leichten Senken der Augenlider ihre Zustimmung aus, und Mahan begriff, daß dies alles organisiert und verabredet war.
    »Wir werden also Nachricht über Sie erhalten«, sagte der Junge, der hinter Tatokala stand. »Hau.«
    Es war Zeit, zum Schulbus zu gehen. Das Mädchen lief eilig hin; Mahan machte seine großen, aber keine beschleunigten Schritte und stieg als letzter ein. Das Mädchen hatte sich nach hinten gesetzt; er fand noch den Platz neben dem Fahrer frei.
    Der Bus fuhr 60 Meilen die Stunde; er hatte einen leistungsfähigen Motor und war gut gefedert. Die Fahrt führte nicht durch das Tal der Weißen Felsen, da der Bus die meisten Kinder über eine Abzweigung zu einem kleinen Dorf zu bringen hatte. An der Kreuzung, an der Mahan am Morgen eingestiegen war, bog der Bus ab.
    Die Dienstzeit des Büros war längst überschritten, als der Bus die Agentursiedlung erreichte und bei den Siedlungshäusern der Indianerfamilien hielt. Es waren nur wenige Kinder aus dieser Siedlung, die in der Agenturschule keinen Platz gefunden hatten und daher die Dayschool III besuchten. Sie sprangen jetzt aus dem Schulbus, als ob sie aus einem Käfig befreit würden.
    Das Mädchen Tatokala stieg als vorletzte aus und

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