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Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg

Titel: Welskopf-Henrich, Liselotte - Das Blut des Adlers 4 - Der siebenstufige Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht um etwas zu tun, sondern um sich zu verstecken. Mahan hatte das Jungengesicht gesehen, hohlwangig, mit einem neuen gallenbitteren Zug. Hanska war der Abschied von den Büffeln zu schwergefallen. Vielleicht konnte er weinen, wenn er allein war. Mahan hoffte es.
    Joe ging zu dem Schecken und begrüßte ihn. Er hatte zu Hanska nichts gesagt, ihn weder gelobt noch gescholten. Es wurde an diesem Morgen überhaupt wenig gesprochen, nur eben das, was sich nicht vermeiden ließ. Jeder raffte und straffte seine eigenen Gedanken und Empfindungen, wie es Menschen tun, die im Kampf stehen und den nächsten Angriff erwarten.
    Oiseda ging Mahan aus dem Weg, nicht auffällig, aber doch so, daß er selbst es bemerkte. Sie wirkte dabei nicht abwehrend, eher verwirrt und einer gewissen Zeit bedürftig, um nachzudenken und zu sich selbst zu kommen.
    Im hellblauen Haus fing schon die Arbeit an. Hanska, der wieder zurückgekommen war, Mahan und die Zwillinge, alle diejenigen, die zur Schule gehen mußten, fanden sich beim gelben Haus zusammen und verabschiedeten sich von Joe und Queenie. Es war die Frage, wie sie den Weg bis zu der Kreuzung machen wollten, an der sie den Schulbus erreichen konnten. Da Zeit genug blieb, entschlossen sie sich, zu Fuß zu gehen. Die fünf benutzten die Pfade am Hang, nicht die Straße. Hanska lief tapfer, allerdings als letzter. Er zwang sich, die Augen, die ihm zufallen wollten, offenzuhalten. Je mehr sich seine Füße bewegten und je strenger der Wind auch ihn anwehte, desto mehr schien jedoch sein ganzes Wesen wieder in Bewegung zu kommen; er lief hinterher, er lief mit, und endlich lief er mit den Zwillingen voran. Er legte den Kopf in den Nacken, um den Wind noch stärker in seine Atmung einzuziehen.
    Der morgendliche Gang durch die Wiesen tat nicht nur ihm, er tat allen wohl. Wakiya kam aus der Abwesenheit seiner Seele wieder herbei zu Erde und Menschen. Tishunka-wasit-win war tot, aber Wakiyas Haltung verriet auf stumme Weise, daß sie nicht vergeblich gestorben sein sollte.
    An der Haltestelle gab es kein langes Warten. Der Schulbus kam; auch für Mahan war noch ein Platz frei. Die fünf saßen in dem Gehäuse der Zivilisation und wurden zu der Schule gerollt, wo sie ihren weißhäutigen Vormunden zu einer neuen Runde begegneten.
    Mahan begrüßte seine Beginner und begann, mit ihnen zu spielen und sie zu lehren. Er hatte eben die zweite Stunde abgeschlossen, als er durch Ron Warrior zum Rektor gerufen wurde. Er bat den Kollegen, die Aufsicht über seine Gruppe in der kleinen Pause mit zu übernehmen. Ron lächelte in einer nur scheinbar offenen, aber sicher von keinerlei Autoritätsglauben beschwerten Weise.
    »Sie sind der Held des Tages geworden, Hugh, das ist in unserem Philisternest mitten in der großartigen Prärie nicht gut. Machen Sie sich auf alles gefaßt.«
    Als Mahan im Rektorzimmer stand, war ihm äußerlich keine Erregung anzumerken. Snider zeigte sich nicht mißlaunig, eher in der angenehmen Stimmung eines Menschen, der wieder einmal recht behalten hat.
    »Nach Schulschluß fahren Sie sofort in die Agentursiedlung, Mahan. Sport fällt aus. Sie suchen Miss Bilkins auf, die Sie erwartet. Vielleicht erscheinen Sie morgen nicht zum Dienst. Besprechen Sie also den künftigen Ablauf des Unterrichts in Ihrer Beginnergruppe vorweg mit Warrior.«
    »Tue ich.«
    »Nehmen Sie Ihre Sachen mit. Es kann sein, daß Sie die nächste Nacht nicht hier sind.«
    »Ich verstehe.«
    Die Unterredung war beendet. Mahan verließ den Raum, ging mit dem Gefühl, nur noch für ein paar Stunden Angehöriger dieser Schule zu sein, den glattgewachsten Gang entlang und holte bei – Ron seine Gruppe.
    Wie immer, so setzten sich die Achtjährigen und die beiden Fünfjährigen auf die Bodenteppiche zwischen den Spielregalen. Mahan stand bei der Tafel und schrieb an:
    »Freedom and justice for all.«
    Mit der unverändert sanften, tiefen Stimme, mit der er zu den Kindern zu sprechen pflegte, erklärte er ihnen, was Freiheit und was Gerechtigkeit sei. Wie er mit deutlichen Buchstaben geschrieben hatte, so sprach er auch jedes Wort langsam und klar, so daß alle die fremde Sprache verstehen konnten. Die Kinder, die sich beim Unterricht immer ruhig verhalten hatten, waren in dieser Stunde ungewöhnlich ernst. Ihre Augen hingen unentwegt an dem »Mann, der die Wahrheit gesagt hatte« und den sie liebten. Sie mußten gehört haben, daß er wieder einmal zu Rektor Snider gerufen worden war, den sie nicht liebten. Was

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