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Weltenende (German Edition)

Weltenende (German Edition)

Titel: Weltenende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Caspari
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Gummistiefeln die Mole hinunter. Jonas stand auf, stellte sich vorsorglich an die Wand und folgte ihm erst, als er in Richtung Ort abbog. Er schien es eilig zu haben und wenn er Glück hatte, dachte Jonas, lief er jetzt direkt zur Ombrage.
    Die dreihundert Meter zwischen Hafen und Ortschaft waren am schwierigsten, denn au f dem offenen Feld war Jonas leicht zu entdecken, falls Georg sich umdrehen würde. Er hielt sich zurück, blieb lange bei den Bäumen, die den Tennisplatz abgrenzten, und heftete sich erst wieder an seine Fersen, als Georg fast die ersten Häuser erreicht hatte.
    Doch ganz so glatt lief es nicht.
    Zu allem Überfluss sprach er unmittelbar vor dem Haus der Wegner - sie saß wie immer vor der Tür auf der Bank und beobachtete die Touristen - mit einem jungen Kerl in abgerissenen Jeans und einem neongelben T-Shirt. Jonas war nicht ganz sicher, aber es konnte der sein, den er an dem Abend mit dem Hund beim Elster-Anwesen gesehen hatte. Der Gestik nach, wie sie miteinander sprachen, waren sie gut bekannt miteinander. Jonas stand verloren auf der Straße und tat so, als würde er in ein Handy sprechen, das er gar nicht hatte. Die Touristen, die dichter an ihm vorbeiliefen, hielten ihn vermutlich für verrückt. Jonas atmete auf, als die beiden endlich weitergingen. Sie trennten sich erst vor den Türen des Kaufmanns, wo Georg hinter dem Perlenvorhang des Eingangs verschwand.
    Gegenüber war eine Telefonzelle . Jonas stellte sich hinein, nahm den Hörer von der Gabel und klemmte ihn zwischen Schulter und Ohr - das war eine überzeugendere Tarnung als ein imaginäres Handy. Doch das Tuten an seinem Ohr machte ihn verrückt. Er legte den Finger auf den Kippschalter zum Aufhängen und danach blieb ein elektronisches Säuseln in der Leitung, das auch nicht viel besser war. Soweit er wusste, wohnte Georg im Haus gegenüber seiner Eltern, die Straße noch ein Stück weiter, dann links, und mit der Arbeitskluft, die Georg noch immer trug, ging Jonas davon aus, dass er zuerst dorthin gehen würde, hoffentlich nur, um sich umzuziehen.
    Jonas wartete. Immer häufiger schaute er auf die Uhr und als Georg endlich wieder auftauchte, waren mehr als zwanzig Minuten vergangen. Er sprach mit einem Mann von dunkler Hautfarbe, einem Südländer. Georg blickte ernst drein, aber der andere grinste immer wieder. Auch wenn Jonas ihn im ersten Moment für einen von der Ombrage halten konnte, verstärkte sich der Eindruck nicht. Die kurzen Khakihosen, ein Freundschaftsbändchen am Arm, Espandrillos an den Füßen, ein Tribal-Tattoo an der Wade, nein, da war nichts von der Ombrage an ihm. Schließlich lief Georg, ganz wie erwartet, in Richtung seiner Wohnung. Jonas seufzte, er hätte auch gleich dort warten können, dann wäre es weniger auffällig gewesen. Georg war Fischer, kam von der Arbeit, er stank sicher nach Fisch und würde duschen gehen und anschließend sicher was essen. Die massige Gestalt musste mit viel Nahrung und viel Bier erhalten werden.
    Doch Jonas irrte sich schon wieder und von einer Sekunde auf die nächste beschleunigte sich sein Herzschlag. Bei der nächsten Querstraße bog Georg nicht links sondern nach rechts ab. Mit schneller werdenden Schritten hielt er auf das letzte Haus vor dem Wald zu, stieg ungelenk über das Gartentor ohne es zu öffnen und klopfte an die Eingangstür. Nur eine Sekunde später wurde sie von einer Frau regelrecht aufgerissen. Sie hatte auf ihn gewartet – das war offensichtlich -, warf sich Georg in die Arme und küsste ihn. Es war ein absichtsvoller Kuss. Was zum Henker fanden die Frauen nur an Georg? Und wenn jemand wie Georg auf Rabensruh – wo es wirklich nicht viele ledige Frauen gab – immer eine Freundin auftrieb, warum hatte er dann keine? Und die Frau sah nicht einmal schlecht aus, war ein wenig älter als er, vielleicht Anfang dreißig, aber auf jeden Fall ein nettes Gesicht mit tiefliegenden Augen und einem Schönheitsfleck auf der Wange. Auch sie hatte nichts von der Ombrage an sich. Die Anspannung fiel von Jonas ab. Die Tür schloss sich hinter den beiden und Jonas schaute sich um. Was auch immer die beiden tun würden - und er hatte schon eine konkrete Vorstellung, was es sein würde - es würde sicher einige Zeit dauern. Jonas musste sich eine Stelle suchen, wo er nicht so auffällig auf der Straße herumstand, denn so etwas fiel auf Rabensruh auf. Er folgte einem inneren Impuls und sprang über den braunen Lattenzaun in den Vorgarten. Neben dem Haus war er auch

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