Weltenende (German Edition)

Georg nirgends sehen“, sagte er.
    Jonas rann Schweiß in Strömen über die Stirn und den Rücken. Die Männer der Ombrage standen vor dem Haus und schauten direkt zu ihnen. Er spürte sie deutlich und wenn sie ihn unter normalen Umständen genauso fühlten, dann hing jetzt alles von diesem Ring ab. Jonas atmete tief ein, versuchte sich zu beruhigen. Er trat zurück, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. „Kommen sie rüber?“, fragte er.
    „Nein, sie stehen einfach nur da. Aber sie müssen uns bemerkt haben, sonst würden sie das nicht tun.“
    „Wahrscheinlich spüren sie mich.“
    „Hast du den Ring angezogen?“
    „Natürlich.“
    „Hoffentlich kein magischer Montagsring.“ Carl ging durch den breiten Durchgang in den Flur. „Wir sitzen hier drinnen jedenfalls in der Falle“, sagte er.
    „Ich weiß nicht, aber wenn sie wirklich sicher wären, dass wir hier sind, dann wären sie schon reingekommen“, entgegnete Jonas und trat wieder ans Fenster. Außer in der Küche, wo sie die Jalousien geöffnet hatten, war es im Haus stockdunkel, denn nach hinten zur Terrasse waren sogar Rollläden heruntergelassen. Jonas schaute wieder durch die Schlitze der Jalousie. Die beiden Männer standen noch immer mitten auf dem asphaltierten Weg, blickten jetzt aber mehr oder weniger in alle Richtungen. Nach links konnte Jonas nicht viel sehen, dort stand das Wohnmobil im Weg, aber gegenüber kamen Kinder aus einem Haus, rannten aufgedreht durch den Garten und verschwanden alsbald auf der anderen Seite des Hauses.
    „Da kommt Georg wieder“, raunte er ein wenig lauter, dass Carl ihn hören konnte. Georg trug eine Kiste in den Händen, die er mit einer demütigen Geste dem größeren Mann präsentierte. Sie hatten sich gedreht und Jonas konnte deutlicher ihre Gesichter erkennen. Kantig, ein wenig grob und zumindest der Große wirkte alt. Es waren nicht die Männer von der Fähre, was Jonas weniger überrascht hätte und lieber gewesen wäre, bedeutete dies jetzt, dass die Ombrage ihnen zahlenmäßig überlegen war.
    „Was hat er da?“, murmelte Carl. Er war auch wieder in der Küche.
    Jonas wusste es. Er hatte davon gehört und er hatte im Buch Noldret eine Abbildung sowohl von der Kiste wie auch deren Inhalt gesehen. „Das ist ein Totenhorn“, hauchte er.
    „ Spielen die jetzt auf?“
    „ Sie werden damit die Hunde herbeirufen.“
    „Die sehen dich doch nicht.“
    „Die spüren mich nicht, sehen, ich meine, wenn ich vor ihnen stehe, können sie mich sehr wohl.“
    „ Woher haben sie das Horn?“
    Jonas zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber das ist so ziemlich das mächtigste, was man haben kann. Es gibt viele Melodien, zum Beispiel um zwischen den Welten zu wechseln oder die Sieben zu rufen oder um Gargoyles zum Leben zu erwecken, obwohl ich das nicht glaube. Diese Hörner sind verdammt selten, stammen vom Anbeginn der Zeiten und sind der Legende nach, vom Himmel selbst gefallen.“
    „Und ihr habt so etwas nicht?“
    „Das weiß ich nicht.“
    „An das alles zu glauben, fällt mir schwer .“
    „ Lennarts Devise: Glaube nichts, rechne mit allem!“
    Der Mann hatte die Kiste mit einem Schlüssel geöffnet und hielt das Horn in den Händen. Es war klein, viel kleiner als Jonas es sich vorgestellt hatte, und bis auf wenige schmale goldene Streifen gänzlich schwarz und unverziert. Er setzte es an die Lippen und ein einziger langer Ton wie ein Schlachtruf schallte über Rabensruh und durchdrang Wände, Bäume, Hügel und Fleisch.
    Unwillkürlich hielt Jonas sich die Ohren zu , so sehr schmerzte ihn dieser Ton. Er bohrte sich in seinen Kopf, bereitete ihm körperliche Pein, als hätte er Zahnschmerzen in allen Zähnen, und der Ring an seinem Finger glühte auf. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang ihn sich vom Finger zu reißen. Sekundenlang hallte der Ton nach, obwohl das Horn längst vom Mund genommen war. „Wir müssen weg“, raunte Jonas in die bedrückende Stille, die sich wie Watte um sie legte.
    „Vielleicht hinten raus“, entgegnete Carl.
    Sie gingen noch einmal zur Verandatür. Hinter den meisten Ferienhäusern gab es kleine Gärten, meist nur eine Wiese, um die man sich nicht viel kümmern musste. Aus Verzweiflung wagten sie die kleine Stehlampe einzuschalten, aber sowohl die Fenster wie auch die Türen waren mit Rollläden fest verschlossen und mit Sicherheit würde man das Öffnen auf der Straße hören können.
    „ Wir müssen hier bleiben“, sagte Jonas.
    „Und wenn sie