Weltenende (German Edition)
kein Weg war, und der letzte von ihnen war Igby Fellten. „Hey, Alter, ewig nicht gesehen“, rief er schrill. Er hatte Carl entdeckt, der sich nur langsam vom Anblick der vorbeigegangen Mädels trennte. Früher waren sie Freunde gewesen, waren zu Grundschulzeiten täglich mit der Fähre nach Fermten übergesetzt, danach hatten sie sich nur noch in den Ferien gesehen.
„ Es muss Jahre her sein. Bist du bei deinen Eltern zu Besuch?“, fragte Carl.
„Nein, die sind weggezogen , letztes Jahr schon, wusstest du das nicht? Nur noch Oma wohnt hier. Ich bin ein paar Tage zu Besuch, muss mal ausspannen“, entgegnete Igby wie selbstverständlich. Er war kräftiger geworden, hatte breite Beine, aber dünne Arme und sein Gesicht, früher eher grüblerisch und harsch, hatte etwas Verschmitztes bekommen, vielleicht auch Hinterhältiges. Unter den knielangen Badeshorts trug er bunte Espadrilles, die ihm nicht standen.
„Gehst du schwimmen?“, fragte Carl.
„Oma hat Besuch von ihren Kaffeetanten und ich checke die Mädels da ab.“
„ Die laufen höchstens vor dir weg ...“, spöttelte Carl. Die Mädchen waren schon außer Sicht.
„Habt ihr gehört, was passiert ist?“
„Du meinst die Sache mit den Hunden?“
„Alter Hut. Nein, die Morde.“ Igby ließ die Worte wirken und Jonas und Carl mussten ihn erst auffordern, fortzufahren. „Ihr kennt doch das erste Haus vom Hafen kommend? Die Wegner sitzt Tag und Nacht vor der Tür und beobachtet die Touristen. Ihr müsste sie kennen?!“ Jonas und Carl nickten; jeder auf der Insel kannte die Wegner. „Nun, das macht sie jetzt nicht mehr. Die Marstippel von gegenüber ist heute Morgen aufgefallen, dass sie eben nicht vor der Tür saß. Sie ist dann gegen Mittag rübergegangen und … Zappp … im Haus lagen zwei Leichen. Die Polizei dreht jetzt jeden Stein um.“
„ Waren es die Hunde?“, fragte Carl.
„ Nein, soweit ich weiß nicht. Es ist beunruhigend, was in letzter Zeit auf Rabensruh passiert. Ich mein, es war ja klar, dass hier irgendwann jemand durchdrehen muss.“
„Wenn es zwei Tote waren, wer war dann der andere? Die Wegner ist ... war doch immer allein“, korrigierte Jonas.
„ Gute Frage, ich habe nur Gerüchte gehört, aber anscheinend ist es ein Auswärtiger gewesen, hat hinten bei den Campingplätzen gewohnt. Vielleicht wollte sie an Sommergäste vermieten ... Es wird auch von Einbrüchen im Campingviertel erzählt, die Polizei sieht da bestimmt eine Verbindung.“ Jonas war alarmiert. Hinten bei den Campingplätzen ... das konnte bedeuten, dass es jemand von der Ombrage war. Erst später fiel ihm ein, dass mit den Einbrüchen vielleicht auch nur ihr Einbruch in das Haus gemeint war. Georg hatte die Tür aufgetreten.
„Leute, ich muss weiter“, rief Igby und schaute in Richtung Strand. „Ich habe noch zu tun.“ Er grinste breit.
„Willst du heute Abend bei uns essen?“, fragte Carl.
„Ja, gern, warum eigentlich nicht?!“
„Um si eben auf dem Hof.“
„Wir sehen uns .“
KAPITEL XXVIII
Jonas und Carl liefen in den Ort. Das polizeiliche Aufgebot war beachtlich, bestand aus einem halben Dutzend Autos, die man mit einer Sonderfähre herübergeschafft hatte. Zwei Streifenwagen, zwei kleinere Lieferwagen, die zur Spurensicherung gehörten, und zwei Limousinen mit je einem einzelnen Blaulicht auf dem Dach. Jonas zählte wenigstens ein Dutzend Leute die permanent Metallkoffer hinein- und hinaustrugen. Von drinnen war das Zucken von Blitzlichtern zu sehen. Auf dem Weg durch den Ort hatten sie einen Hubschrauber gehört und kurz nach ihnen traf ein schwitzendes Kamerateam ein. Die schwere Ausrüstung so schnell zu Fuß hierher zu schaffen, war eine ganz ordentliche Leistung.
Jonas und Carl fragten sich ein wenig durch und wie es schien, waren beide Leichen im Wohnzimmer gefunden worden. Frau Marstippel erzählte, sie habe den Mann schon gestern bei Elisabeth Wegner gesehen, sie hätten zusammen Kaffee getrunken und sie habe sie gestern Abend noch nach ihm gefragt. Ein Verwandter habe sie gesagt, aber das hatte sie ihr nicht geglaubt. „Er sah ihr überhaupt nicht ähnlich, außerdem kenne ich ihre Verwandten.“
Wie die beiden umge bracht worden waren, erfuhren sie erst später von Ludwig, der über einen Bekannten bei der Polizei an konkretere Informationen herankam. „Es sieht nach Stichverletzungen mit einem sehr langen beidseitig scharfen klinge aus. Der Wegner wurde die Kehle so tief eingeschnitten, dass man auch sagen
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